2.4.2.2 Christen und Heiden
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Kapitel 2.4.2.2 „Christen und Heiden“ schildert nun im Einzelnen, wie das Christentum sich von je her schon immer mit den heidnischen Religionen der von ihm missionierten Völker vermischte und letztere auf Christus hin ausdeutete.
Auf die kritische Anfrage, dass Jesus doch schon als zwölfjähriger Junge durch Seine neuartige Auslegung der alten Schriften auffiel, und folglich doch auch der Geist schon vorher Ähnliches geoffenbart haben müsste – und nicht erst jetzt, in diesem Dritten Testament, erklärt Jesus, dass dem auch tatsächlich so war, weil der Geist, wie auch Christus von je her von einem Liebesdrängen beseelt ist, alles von sich zu offenbaren, was alle Herzen brennen lassen und in Liebe entzünden soll.
So erkannten schon im Urchristentum die Gnostiker, dass die Erlösung nicht in dem liegt, was man tut, sondern in der „Erkenntnis“, der „Gnosis“ der unverlierbaren Verbundenheit aller mit allen in und aus der göttlichen Liebe, was keinen unverändert lässt. Wen dies aber nicht verändert, der hat noch nicht wahrhaft erkannt. Die Gnostiker als die wahren geist-beseelten Spirituellen wurden jedoch für ihre Erkenntnis und ihr Bekenntnis bald von den Religiösen, den aufkommenden werkgerechten Christen, als Häretiker verfolgt und unterdrückt.
Im Römischen Reich verteidigten die Apologeten den christlichen Glauben, indem sie Prophezeiungen auf Christus aus der heidnischen Welt anführten, womit sie zugleich aber auch der Heidenwelt eine Inspiration durch den Geist Gottes zugestanden. Schließlich lehrte schon der seiner Zeit hoch angesehene Kirchenvater Origines sowohl die Reinkarnation, wie auch die Allversöhnung.
Die wahre, reine, vollendete, vollkommene Lehre war also sehr wohl von Anfang an im Christentum, wenn auch gar bald vom Klerus verfolgt. Dennoch bekam die Kirche immer wieder genau die Ketzer, die sie verdient hatte. So hat selbst schon der Prophet Maleachi seinen jüdischen Zeitgenossen vorgehalten, dass unter den anderen Religionen mehr ehrfürchtiger Gottglaube zu finden sei, als in dessen eigenem Volk Israel.
Mit ihrer bewussten Abkehr vom jüdischen Sabbat hin zum Herrentag, dem Tag der Auferstehung Christi, als Ruhetag, brachen die ersten Christen bewusst mit der jüdischen Thora, die in der Einhaltung des Sabbats kulminierte, dessen Beachtung einem Bekenntnis zum jüdischen Gott „Jahwe“ als einzigen Gott gleich kam. Sie bekannten damit nicht nur, dass das Heil wie der Seelenfrieden nicht in der Einhaltung eines bestimmten Wochentages lag, sondern darüber hinaus auch, dass es nicht an dem Bekenntnis zu einem bestimmten Gott liegt. Der von den Christen gefeierte Herrentag war nämlich der Sonntag, an welchem im gesamten Römischen Reich der höchste Sonnengott „Sol“ verehrt wurde.
Wie einst Echnaton, so verstand sich auch Kaiser Konstantin der Große als Sohn und Günstling der göttlichen Sonne, im Römischen Reich verehrt als die Gottheit „Sol“, die über und hinter allen Göttern des Römischen Imperiums verehrt wurde. Ihre menschliche Gestalt als der Wagenlenker aller Geschicke erinnert an die Gestalt Christi, in der Er sich auch dem Arjuna in der Bhagavadgita, wie auch dem Empfänger dieser Offenbarungen gezeigt hat. Denn in Wahrheit ist es auch kein anderer Gott, der hier verehrt wurde.
Entsprechend wurde von den römischen Christen der heidnische Gott „Sol“ nicht als ein Götze abgelehnt, sondern vielmehr mit Christus identifiziert, der „Sonne der Gerechtigkeit“, deren Aufgang Maleachi allen Nationen angekündigt hat, die Gott in ihren Götterbildern sehr wohl fürchten. Dies ging so weit, dass sich die Christen sogar zusammen mit den Heiden vor der Sonne als einer `lebendigen´ Ikone Christi verneigten. Sie legten nicht allein ihren christlichen Herrentag mit dem heidnischen Sonntag zusammen, sondern verlegten sogar ihr Hochfest der Geburt Christi auf den 25. Dezember, an welchem nach der längsten Winternacht im Römischen Reich die Wiedergeburt der Sonne gefeiert wurde, mit deren Zunahme alljährlich alles Leben zurück kehrt. Die Christen handelten darin in der Herzensweite und Weisheit des Salomo, in der Erkenntnis, dass auch den Heiden das Evangelium sehr wohl schon in ihren Herzen mitgeteilt worden ist, bevor es durch die christliche Mission Bestätigung finden sollte. Und weil sie die Heiden als wahre Gläubige anerkannten, wurden auch sie von ihnen anerkannt.
Schließlich bestätigte Christus selbst das Zeugnis Seiner christlichen Liebesboten, indem Er, der von Konstantin als „Divinitas“, die namenlose „Gottheit“ symbolisch in der Sonne verehrt wurde, diesem in einem Traum zusicherte, dass jener im Zeichen des Kreuzes siegen würde, weil dies das Zeichen des „Sol Invictus“, der „unbezwingbaren Sonne“ sei. Zugleich steht das Monogramm „XP“ nicht nur für „XPISTOS“ („Christus“), sondern auch für „PAX“, den universalen Frieden, den Christus zwischen sich und allen Geschöpfen in Seiner Liebe aufrichten wird.
So wurde schließlich Christus, wie zuvor der Sonnengott „Sol“ im römischen Reich anfangs als der höchste Gott aller römischen Götter – auch in und mit ihnen allen – verehrt. Die Christianisierung des Römischen Reiches durch Kaiser Konstantin den Großen ging keineswegs einher mit einer Zwangsabschaffung der bisherigen Vielgötterverehrung. Dessen ungeachtet drang das Licht Christi auch in all diese alten Göttervorstellungen; der Siegeszug des Christentums im Römischen Reich begann.
Ebenso wurde das Auferstehungsfest auf das Datum heidnischer Fruchtbarkeitskulte gelegt, in der genussvoll die alljährliche Wiederkehr des Lebens gefeiert wurde. Dass das Christentum sich den heidnischen Riten anglich und nicht einen eigenen christlichen Festkalender dagegen aufstellte, zeugt davon, dass sie selbst diesen anstößig ausschweifenden Fruchtbarkeitsriten einen gewissen Wahrheitsgehalt zubilligten.
So haben sich heidnische Bräuche mit dem christlichen Brauchtum verbunden, wie auch einstige heidnische Kultstätten übernommen und Christus geweiht worden sind. Der Osterhase etwa war ursprünglich ein Fruchtbarkeitssymbol, der Maibaum ein Phallussymbol. Auch das Osterei war ursprünglich eine Opfergabe an Fruchtbarkeitsgöttinnen. Nun wurde es ein Symbol für Christus, der – wie ein Küken die Schale durchbricht – das Grab aufriss und neues, unsterbliches Leben ans Licht brachte. Das brennende Sonnenrad, das mancherorts zu Ostern von Hügeln gerollt wird, symbolisiert den Sieg des Lichtes über die Finsternis – und zeugt von der wohl schon gegebenen vor-christlichen heidnischen Hoffnung auf Christus, weswegen auch dieser Brauch rechtens von den Christen übernommen worden ist.
Wohl wollten die Heiden mit ihren Osterriten den Kräften des Lichtes helfen, sich gegen die Finsternis durchzusetzen, etwa mit dem Osterfeuer, dass den Winter wegschmelzen und vertreiben soll. Doch ist es nicht auch tatsächlich so, dass das Licht Christi nur aufleuchten kann, wenn es in den Herzen der Christen brennt?
In Ägypten wurden die Ostereier der Göttin Isis geopfert. Diese ägyptische All- und Himmelsgöttin Isis mit dem Horus-Knaben auf dem Schoß, der Unsterblichkeit symbolisiert und in jedem Wesen Gestalt gewinnen will, erinnert an Maria mit dem Jesus-Knaben, oder auch an die göttliche Urkraft des Lebens und der Liebe, aus der Jesus als deren Personifizierung entspringt.
Schließlich wurde in jenen Frühlingsfesten auch in Vorfreude die Ankunft allen neuen Lebens gefeiert, wie auch von je her alle Neugeborenen Hoffnungsträger einer besseren Welt sind. Und tatsächlich streben schließlich auch alle Neugeburten auf die Vollendung der Schöpfung, die Wiedergeburt Christi in allen hin.
Durch die Verbindung der heidnischen Frühlingsfeste, welche die alljährliche Wiedergeburt allen Lebens feierten, mit dem christlichen Auferstehungsfest bestätigten die Christen, dass alle beständige Wiederkehr des Lebens in der Auferstehung Christi begründet ist und auf Unsterblichkeit hinzielt, eine Hoffnung, von welchen auch die vor-christlich heidnischen Riten bereits getragen waren.
Nachdem die ursprünglichen Osterfeste meist weiblichen Gottheiten – wie „Easte“, „Ostare“, „Austria“, „Astarde“, „Ishtar“, „Isis“ – geweiht waren, welche nun Christus verherrlichen, zeigen sie auch an, dass die Gottheit Christi ebenso viele feminine wie maskuline Aspekte in sich trägt, weswegen die Urkraft des Lebens und der Liebe sich in vorchristlicher Zeit ebenso vorbehaltlos in weiblicher Gestalt verehren ließ.
Diese Beanspruchung heidnischer Riten durch das Christentum, zeigt, dass auch in den vor-christlichen Vorstellungen und Bräuchen bereits viel Wahrheitsgehalt anzutreffen war, so dass sich diese Feiern durchaus mit dem christlichen Glauben vertrugen.
Die Verbindung der heidnischen Feste der Wiederkehr allen Lebens mit der christlichen Auferstehungsfeier zeigt überdies an, dass die Schöpfungskräfte selbst schon Ausfluss der Kräfte der Auferstehung Christi sind und die ganze Schöpfung im Christusereignis begründet ist. So werden die Kräfte der Auferstehung schon jetzt in der Wiedergeburt und dem Aufblühen jeden neuen Lebens wahr genommen, wie sie auch von aller Welt empfunden werden als ein deutliches Hoffnungszeichen auf Unsterblichkeit hin.
Folglich taten die ersten Christen in der Übernahme heidnischer Hochfeste und deren Umdeutung auf Christus nichts anderes wie die Heiden, welche die Gottheiten aus anderen Religionen mit den selben Wesenszügen und Wirkungsweisen ihren eigenen Gottheiten gleichsetzten und mit ihnen identifizierten, die verschiedenen Götternamen aus unterschiedlichen Religionen wie Synonyme für die selbe Gottheit gebrauchten – wie es sich besonders deutlich bei den Römern und Griechen zeigt, deren Gottheiten miteinander verschmolzen.
In der selben Weise setzten die Griechen bereits ihren Gottvater Zeus mit dem Gott der Juden gleich. Brachte dies jedoch die Juden in ihrer fleischlichen Auslegung des Ersten Gebotes, sich auf kein Gottesbild festzulegen, noch in Konflikt mit den Heiden und unter den göttlichen Zorn, so ebnete den Christen, die damit keine Probleme hatten, den höchsten Gott der Römer mit Christus zu identifizieren, für ihre Missionierung der Heidenwelt den Weg.
Die Einsichten der Heiden in die göttlichen Mysterien gehen schließlich sogar so weit, dass sie aus der Verschiedenheit der göttlichen Wirkungsweisen von Erschaffen, Erneuern und Erhalten auf eine göttliche Dreieinigkeit schlossen: Bei den Hindus ist es die Trimurti aus „Brahman“, „Shiva“ und „Vishnu“ oder den weiblichen Entsprechungen „Sarasvati“, „Kali“ und „Lakshmi“, bei den Ägyptern die Dreiheit von Vater „Osiris“, Mutter „Isis“ und dem göttlichen „Horus“-Kind, bei den Römern die Kapitolinische Trias aus „Jupiter“, „Juno“ und „Minerva“, bei den Kelten die drei „Morigan“, die Mütter der Liebe, des Vergehens und des Werdens. Damit erkannten die Heiden alle in den zum Teil vordergründig gegensätzlichen Kraftwirkungen doch ein einheitliches Zusammenspiel, das auf letztlich ein göttliches Wesen zurück geht, das sich den Menschen in Liebe zu-wendet – wie es bei den Christen die Dreieinigkeit aus „Vater“, „Sohn“ und „Geist“ offenbart, wobei Christus als die „Achamoth“ bzw. „Sophia“ oder „Sapientia“, die fleisch-gewordene „Weisheit“ Gottes und der „Geist“ als die göttliche „Ruach“, die „Heilige Kraft“ ebenso die femininen Aspekte der Gottheit enthüllen.
Diese Trinität Gottes, die von den drei großen christlichen Konfessionen – der Römisch-katholischen Kirche einerseits, sowie der Griechisch- und Russisch-orthodoxen Kirche andererseits, ferner den Protestantischen Kirchen und den aus ihnen hervor gegangenen Freikirchen – als den drei Zeugen der Dreieinigkeit einhellig bezeugt wird, findet bezeichnender Weise wegen ihrer Ähnlichkeit zu heidnischen Vorstellungen einer göttlichen Dreieinigkeit bei Religionen bzw. christlichen Sekten Ablehnung, die in Gott weniger die erlösende Zuwendung erkannt haben, als nur den fernen Richter und darum in sklavischer Werkgerechtigkeit gefangen sind. Daran erkennt man, dass manche Heiden dem wahren Wesen Christi mitunter näher stehen, als solche, die sich Christen nennen oder sich für die einzig Rechtgläubigen halten und von anderen abgrenzen. So haben jene Christen, die ihre Nähe zu den Heidengläubigen nicht fürchten, ein liebevolleres, erfüllenderes Gottesbild.
Jene Rechtgläubigen dagegen, die sich von anderen Glaubensvorstellungen abgrenzen, leben gleichsam unter einer geistigen Beschneidung, weil sie sich in allem selbst beschneiden, worin sie die anderen beschneiden wollen, weil sie vermeintlich heidnisch sind. Sie gleichen Verschnittenen, im Geist Verkrüppelten; denn sie beschneiden sich selber in einer Erkenntnis-Gerechtigkeit, die mitunter noch mehr versklavt als jedwede Werk-Gerechtigkeit. Sie leben noch unter einem selbst auferlegten Gesetz, einem Abgott, nicht unter Christus, der universalen göttlichen Gnade.
Obwohl die ersten Christen in ihrer Identität weit umkämpfter waren, zeigte sich bei ihnen weit mehr Fantasie und Einfallsreichtum, um andere Gottesvorstellungen auf ihre Christusoffenbarung zu beziehen. Das etablierte Christentum dagegen, das meint, dies nicht mehr nötig zu haben, ist geistig verarmt, obwohl es reich sein sollte.
Darum ist Christus dabei, Sein Christentum von seinem heiligen, selbstgefälligen Sockel zu stoßen. Dies ist nämlich ein fleischlicher, enger, gesetzlicher, knechtischer Geist, der sich bange von allen Andersartigen abgrenzt. Die ersten Christen dagegen zeigten große Herzensweite und Einsicht, da sie auch den heidnischen Religionen und deren Bräuchen wahre Erkenntnisse zubilligten und diese in Beziehung zu ihrem Christenglauben setzten, indem sie deren Einsichten auf Christus hin und aus ihrer Christuserkenntnis heraus ausdeuteten.
Als Christus eröffnet, Goethe hätte mit der Behauptung, ein Christ könne rechtens zugleich auch Polytheist und Pantheist sein, erregt das den Widerspruch des Unterwiesenen: Wie kann ein Pantheist, der die Schöpfung selbst für göttlich hält, Gott noch als ein transzendentes liebendes Gegenüber erfahren? Kann für einen solchen Gott nicht bestenfalls eine allwirksame unpersönliche Kraft sein? Wird das Göttliche da nicht zu einem emotions- und seelen-losen universalen Prinzip?
Der Herr erklärt, dass die Gottheit, wenngleich in allem gegenwärtig, dennoch darüber hinaus als ein Gegenüber wahrgenommen werden kann, erleben sich schließlich auch alle (gott-immanenten) Geschöpfe als Gegenüber, gleich selbst-bestimmten Göttern, obwohl sie doch alle von der einen Gottheit beseelt und bestimmt sind. Schließlich erfährt die Drei-Einigkeit als das Herz und Haupt des ganzen Alls, sich, wiewohl es eine einzige Gottheit ist, in sich selbst als liebendes Gegenüber von Vater, Sohn und Geist. Und jedes Wesen erfährt im Reden des doch eigenen Herzens zugleich Gott als ein Gegenüber zu sich selbst reden. Darüber ist die Gottheit, die alles fasst, noch unendlich viel mehr als das All, so dass Sie dem All durchaus noch als transzendentales Gegenüber begegnen kann.
Entsprechend vertrauen die Inder, die Hindus, nicht nur auf eine allgegenwärtige unpersönliche göttliche Kraft in allem, sondern glauben vielmehr sehr wohl an eine letzte Gottheit, die aber in einer Vielzahl von Göttern wie auch Geschöpfen jedem Wesen begegnet. So sind sie als Pantheisten zugleich Polytheisten, Henotheisten und Monotheisten. Für sie gibt kein „Entweder-Oder“, sondern in Bezug auf Gott nur ein „Und wieviel mehr“. Dieses innere Wissen, in allem immer von Gott umschlossen zu sein, gibt den Hindus ihren inneren gelösten Seelenfrieden, einen Zustand, welchen die Christen „Erlösung“ nennen. Wer schließlich Christus im ganzen Universum gefunden hat, dem gehört das ganze Universum, wie er selbst dem Christus.
Gleichwohl war es in früheren Zeiten notwendig, sich von den Götzenbildern abzugrenzen, da noch nicht die Erkenntnis gereift war, dass diese nur bloße Gleichnisse und Bilder auf die universale Gottheit waren, so dass in früheren Zeiten die wahre Gotteserkenntnis im Rausch der Bilder verloren gegangen wäre und die Gläubigen sich wieder totem Holz und Stein zugewendet hätten, als ob die Bildnisse für sich irgend etwas seien.
Heute jedoch, wo dies jedem Erleuchteten abwegig erscheint, ja, schier un-glaublich, dass dies in früheren Zeiten tatsächlich der Fall war, dass von Menschen gefertigte, tote Bildnisse aus Holz und Stein wirklich für Gottheiten gehalten wurden, kann sich jeder mit den Gottesvorstellungen anderer Religionen auseinandersetzen, ohne dem Wahn zu erliegen, sie selbst wären in sich der Wahrheit letzter Schluss und mehr als nur ein hindeutendes Gleichnis und Bild unter vielen.
Nun aber, nachdem die inwendige Erkenntnis im Geist gereift ist, sind all diese Äußerlichkeiten belanglos und als bloße Oberflächlichkeiten bedeutungslos geworden – sprich: überholt. Wie die jüdische Thora mit ihrem Tempel- und Opferdienst, ihren Speise- und Reinheitsvorschriften, ihrem Sabbatgebot und der Beschneidung verging, so verging auch die Einschränkung, Gott allein in einem Bild und Bekenntnis suchen und finden zu dürfen. Auch das sind Äußerlichkeiten, fleischliche Beschränkungen für jeden, der ins Vollkommene des Geistes eingegangen ist, welcher – unbegrenzt und gestaltlos – nicht auf irgendwelche Bilder oder Bekenntnisse eingeschränkt ist, sondern sich jedem auf Seine Weise mitteilt, der allein nach der göttlichen Liebe sucht und verlangt.
Insbesondere, wenn solche Äußerlichkeiten zu Spaltungen zwischen vermeintlichen Gläubigen führen, sind diese nicht mehr in Christi Geist der Liebe. Ihnen helfen dann auch nicht mehr die richtigen äußeren Bräuche und Bekenntnisse, da sie innerlich verdunkelt sind – nicht im Geist der Liebe erleuchtet.
Entscheidend nämlich ist nicht, WAS jemand glaubt, sondern, WIE er glaubt – ob er vom Geist der Liebe beseelt ist, die keine Grenzen mehr kennt und setzt. So darf ein jeder in seinen religiösen Gebräuchen und Vorstellungen bleiben, wenn diese ihm helfen, die göttliche Liebe zu finden und aus Ihr zu leben. Der Jude darf Jude, der Moslem Moslem, der Hindu Hindu, der Sikh Sikh, der Katholik Katholik, der Orthodoxe Orthodoxer, der Pfingstler Pfingstler, der Mormon Mormon und wer auch immer was auch immer bleiben, solange er sich nur der Liebe verpflichtet weiß und seine Art, aus der Liebe zu leben, nicht anderen als ein heilsnotwendiges „MUSS“ aufzwingen will. Die Liebe ist entscheidend – Gottesbild und Bekenntnis nachrangig.
So muss sich keiner in seiner Art, seinen Glauben zu leben, verunsichern lassen. Ja, selbst jemand, der im Vertrauen auf Gottes Gnade mit seinen eigenen Unzulänglichkeiten nachsichtig ist und tapfer sündigt, ehrt mit seinem Glauben Gott und sündigt darum gerade in seinem Sündigen nicht. Religiösen wird diese Wahrheit jedoch immer eine ungehörige Unglaublichkeit bleiben. Letztendlich ist nichts Sünde, was im Vertrauen auf Gottes Liebe, Langmut und Gnade getan wird, selbst das Brechen von Geboten, während alles, was aus Furcht vor Gott und aus mangelndem Vertrauen auf Seine unendliche Liebe und Gnade getan wird, selbst das Einhalten von Geboten, Sünde ist. Aber selbst, wer den Glauben in solch eine unglaubliche göttliche Liebe nicht aufbringen kann, ist dennoch von Ihr gehalten. Viele meinen, so einfach kann und darf es doch nicht sein. Dies zeigt, dass den Menschen in ihrem Unvermögen, einfach zu vertrauen, auch das Einfachste schon zu schwer ist.
Entsprechend kam es mit der Wende vom Alten zum Neuen Bund zu einer Abkehr von dem Äußeren hin zu wahrer Innerlichkeit. Nicht mehr auf die vollzogenen Kulthandlungen und Kultobjekte, ja, selbst Gottesvorstellungen und Götterbilder kommt es an, sondern auf den Geist, die innere Einstellung, in welcher eine bestimmte Religion ausgeübt wird: Ist sie getragen von grenzenlosem Vertrauen auf die göttliche Liebe oder bloße selbst-bezogene, auf Eigenleistung setzende Religiosität. So kommt es allein noch auf die Liebe an – sie, nicht das Bekenntnis, entscheidet über Zugehörigkeit oder Ausgeschlossensein. Wie Augustinus sagte: „Liebe, und dann TUE, was immer du willst!“, so gilt auch: „Liebe, und dann GLAUBE, was immer du willst!“
Das zeigt sich schon an der Kritik der alttestamentlichen Propheten, durch die Christus Seinem Volk vorhält, dass Ihm ihr – doch ganz gesetzestreuer (!) – Kult ein Gräuel ist, während Er sie doch vierzig Jahre durch die Wüste getragen hat und ihnen nahe war, als sie in ihren Glaubensanfängen noch ihre Götzenbilder aufrichteten, um Ihn über sie zu verehren. Dies zeigt, dass es Gott von je her auf die innere Einstellung ankommt, nicht auf den damit verbundenen, doch nur auswendigen Kult. Sie aber hatten aus ihrem Kult, in dem sie sich über die Heiden erhoben und meinten, sich dadurch als Rechtgläubige von jenen abzusetzen, einen Götzen gemacht, dem sie nunmehr dienten – nicht mehr dem Christus, Gott.
Darum gilt es, das Erste Gebot, sich von Gott kein Bild zu machen, in rechter Weise – innerlich, nicht äußerlich – zu deuten. Es geht nicht darum, sich kein Bild von Gott machen zu dürfen, weil der Glaube an Gottes Unbegreiflichkeit nicht ohne Bilder und Gleichnisse auskommt, und, was im Herzen ist, durchaus in künstlerischer und poetischer, musischer Form sowie in jedweder fantasievollen Entfaltung auch von Vorstellungen, wie die göttliche Retterliebe Ihren universalen Heilswillen wohl noch durchsetzen mag, Ausdruck finden darf und soll. Es geht vielmehr darum, das eigene Gottesbild nicht festzuschreiben und zu zementieren, um offen zu bleiben für noch weitere Eindrücke und Einsichten in die Größe und Unendlichkeit des göttlichen Wirkens und Wesens.
Es ist bezeichnend, dass Jesus im Jüngsten Gericht nicht nach dem äußeren Bekenntnis der Menschen fragt, sondern nach ihrem Wesen und Wirken, ob sie andere herumstoßende Böcke oder sanftmütige Schafe waren. Ebenso bezeichnend ist, dass Jesus als Paradebeispiel für rechten Glauben einen Samariter anführt, der nach Ansicht der damaligen orthodoxen Gläubigen (Juden) in seinen irrigen Gottesvorstellungen als dämonisch verführt galt, weil jener nämlich aus der göttlichen Liebe lebte – im Gegensatz zu den vermeintlich Rechtgläubigen.
So ist es beschämend für die Christen, dass sie sich sogar selbst untereinander wegen nachrangigen Glaubensfragen gegenseitig hasserfüllt bekämpfen, statt sich in der Liebe Christi als Geschwister in Ehrerbietung zu begegnen. Hier können sich die Christen an den Hindus ein Beispiel nehmen, welche sich alle, unabhängig davon, welche Götter sie verehren, mit dem „Namaste“-Gruß alle ehrfürchtig als Heilige Gottes, Gotteskinder und Geschwister begegnen.
Wichtiger als das religiöse Bekenntnis ist daher vielmehr, was die alltäglichen banalen, nebenbei dahin gesagten Worte über das eigene Sein und die eigene Zuversicht aussagen. So hat schon der Herrenbruder Jakobus gewarnt, dass eine Zunge, die aus der Hölle entzündet ist, nicht nur Teufelskreisläufe in Gang setzt, sondern auch das unselige Rad irdischer Wiedergeburten in dies Jammertal hinein aufs Neue entzündet, so dass einem solchen Menschen der Verbleib im irdischen Elend beschieden ist und er noch nicht in höhere, himmlische Kreisläufe eingehen kann.
Sehr beredt ist auch die Begebenheit, als Jesus den heidnischen Gerasener heilte: Er forderte ihn daraufhin nicht auf, sich zum Judentum zu bekehren und Ihm nach-zufolgen, sondern sandte ihn in seine eigene Region und Religion zurück, um seine innerliche Veränderung dort hinein zu tragen.
Ebenso bekannte Jesus von dem heidnischen römischen Hauptmann, der mit dem jüdischen Glauben an einen zornigen Rachegott wenig anfangen konnte, in Jesus aber etwas von dem Heiligem, Wahren erblickte, was auch die Römer in ihren Göttern verehrten, dass Christus in diesem mehr wahren Glauben vorfand, als bei allen rechtgläubigen Juden zusammen, und dass es gut möglich ist, dass jene vermeintlich irrgläubigen Heiden noch vor den rechtgläubigen Juden ins Himmelreich eingehen.
So gehört Christus nicht allein den Rechtgläubigen. Darum ist auch nicht der christliche Glaube (allein) der Weg, sondern Jesus Christus allein, unabhängig vom Glauben und Bekenntnis eines Menschen. Aus diesem Grund wird – dies Christus-Zeugnis bestätigend – die Enthüllung dieser Wahrheit in diesem Buch auch vielen – unabhängig von ihrer Religion – Freisetzung und Heilung bringen.
Ein wahrer Christ untersteht weder einem Gesetz noch Bekenntnis – und ist doch nicht ohne Gesetz oder Bekenntnis: Sein Gesetz und Bekenntnis ist allein die Liebe. Darum kann ein Christ rechtens alle, die sich der Liebe verpflichtet fühlen, unabhängig von deren Religion und Bekenntnis als Glaubensgeschwistern und allesamt rechten Gotteskindern begegnen und in Gemeinschaft mit ihnen Gott ehren.
Jesus ermahnte schon Seine Jünger, die meinten, einem anderen Glaubensgenossen, der in Gottes Namen wirkte, sich den Christen aber nicht anschließen wollte, nicht zu wehren, da niemand, der in Gottes Namen Gutes tut, falsches Zeugnis von Ihm geben kann. Wer also sind die Christen, die meinen, eines anderen Herren Diener richten zu dürfen? Der Herr kann sie wohl halten! Darum sollen sie anerkennen, wer immer auch sie stehen lässt. Wer sie anerkennt, erkennt Christus an.
Auf die empörte Frage, wer denn dann die sind, die von Christus einst abgewiesen werden, obwohl sie viele gute Taten in Gottes Namen vorzuweisen glauben, erwidert Christus, es sind die, zu denen Er sagen wird: „Denn Ich war ein Hindu, dein Bruder, aber du hast Mich nicht als Bruder anerkannt. Ich war ein Moslem, dein Bruder, und du hast Mich als einen gottlosen Narr beschimpft.“ Wer nämlich nicht mit Christus sammelt und aussöhnt – auch zwischen den Religionen, der zerstreut und entzweit. Zu solchen spricht der Herr tatsächlich: „Weicht von Mir, ihr Übeltäter! Ich kenne euch nicht!“
Der irritierten Frage, ob es dann doch ein Gericht gäbe, begegnet Christus mit der Feststellung, dies Gericht sei schon in der Welt und wirke im Karma: Wer ausschließt, erlebt an sich selbst das Ausgeschlossensein. Wer die Hölle predigt, erwartet nichts als Hölle und ist damit schon in seiner Hölle; wer aber den Himmel verkündigt, erwartet nichts als Himmel und ist damit schon in jeder Lebenslage doch im Himmel. In Wahrheit ist Christi Karma aber ein Dharma – ein wunderbares göttliches Gericht: denn es richtet nicht hin, sondern her.
Schließlich ist es den Christen geboten, wirklich alles Gute, Rechte und Wahre zu erwägen, egal, von woher und aus welcher Religion oder Weltanschauung es kommt. Es gilt, überall die Geister zu prüfen, denn Christi Geist ist über die gesamte Menschheit ausgegossen worden, nicht nur über die Christenheit. Wer bereitwillig von anderen lernt, von dem wird man auch bereitwillig etwas annehmen. Nur wer bereit ist, sich zu demütigen und der anderen Schüler zu sein, kann auch einmal rechter Lehrer werden.
Es wird zwar auch viele Trittbrettfahrer geben, welche die Vereinigung der Religionen für bloße Gleichmacherei halten, denen damit also alles im negativen Sinne gleich-gültig ist, und die nur aus Ruhm- und Gewinnsucht sich dem Zeitgeist anschließen; doch ist die Stunde der Auslese nahe. Viele nämlich, die sich allein um des persönlichen Vorteils diesem Evangelium zugewandt haben werden, werden sich genauso schnell und bereitwillig davon wieder abwenden, wenn der Antichrist kommt, um alle Bilder, in denen jetzt Christus gefunden wird, erst in ihrem Sinn hin auf sich selbst zu verkehren und dann schließlich – sicherheitshalber … – allesamt zu vernichten.
So soll verkündigt werden, dass Christi Annahme allen – ungeachtet ihres Glaubens – gilt. Und der Herr wird dies durch Heilungen bestätigen, die von diesem Wort ausgehen und die auch Anders-, selbst Ungläubige erfahren werden, zum Anstoß für alle vermeintlich Rechtgläubigen.
Der Schreiber dieses Buches selbst aber wird von seinem seelischen Leiden nie völlige Heilung erfahren. Er wird angeschlagen bleiben, wie Jakob, der um Gottes Segen rang. Aber eben diese seelische Verfassung lässt den Schreiber die Nöte vieler Menschen erspüren, um ihnen die Worte bringen zu können, die ihren Leiden Linderung verschaffen. Er gleicht einem Clown, der selbst an Schwermut leidet, aber gerade dadurch andere aus ihrer Schwermut holen kann, und ist damit ein Narr Christi. Wehe aber denen, die sich für gesund wähnen! Diese nämlich verschließen sich der helfenden Hand des göttlichen Arztes.
Schließlich wird die Angeschlagenheit des Künders zeigen, dass die heilende Kraft nicht von ihm ausgeht, sondern dass es tatsächlich der Herr selbst ist, der durch sie Heilung wirkt. So darf der Verkünder gleich dem Mose nur anderen den Weg weisen, selbst aber in diesem Leben noch nicht in das gelobte Land eingehen, damit offenbar wird, dass der Herr und nicht er selbst dieses Land bereitet hat.
So wird der Angesprochene selbst von Zittern und Zaudern angefallen bleiben. Seine seelischen Leiden spiegeln die Geburtswehen wieder, in denen die ganze Welt liegt. Im Leiden vollendet sich schließlich die Schöpfung, wie auch ihr Schöpfer in selbstloser Liebe. Das Leid der Welt ist Anzeichen ihrer höheren Bestimmung, die sie noch nicht erreicht hat, der sie zu strebt. Wer nicht leidet, ist innerlich abgestorben und tot. Leid gehört zur Vollendung des Lebens. Wer sich darum gegen sein Leiden aufbäumt, ist noch nicht in der Erkenntnis. Der Erleuchtete windet sich nicht mehr gegen das Leiden, sondern bejaht und begrüßt es als den Weg zu seinem und aller Welt Heil.
Der Begnadete fragt, warum er nicht immer auf dem Berg der Verklärung bleiben kann, warum er immer wieder in die Abgründe seiner Seele sinken muss. Ihn zieht es wie Ikarus ins Licht der Sonne, doch immer wieder schmelzen seine Flügel, dass er ins schier Bodenlose abstürzen muss. Christus erklärt aber, dass es keine Teilhabe an Seiner Herrlichkeit ohne Teilhabe an Seinen Leiden geben kann. Das ist das Geschick aller Mystiker, die Gott im Taborlicht schauen, auch immer wieder durch tiefe dunkle Täler gehen zu müssen.
Dennoch kann der Bedrückte seinen Plagegeistern zurufen, dass Christus den Sieg bereits errungen hat. Denn Christus ist gekommen, alle Zunichtemachung des Zunichtemachers zunichte zu machen und sie darüber sogar noch für Seine Verherrlichung in der Vollendung von allem zu nutzen. So werden die Leiden des Betroffenen, die er auszuhalten hat, ihn in etwas Wunderbares verwandeln.
Das aber ist der Stein des Anstoßes: dass ein jeder wie ein Stein fallen muss; doch wird jeder Fall immer Wellen schlagen, wie auch Christi Fall Wellen geschlagen hat. Das ist der Stein des Anstoßes: der Anteil aller Welt an Christi Bestimmung.
Der Berufene soll sich ruhig von der Welt für ver-rückt erklären lassen. Christus ruft ihm zu: „Werde krank für die Welt, gesund aber für Gott!“ Wer schließlich gelernt hat, das Ausbleiben eines Wunders ebenso, wie das Eintreten eines Wunders als das Beste anzunehmen, was ihm Gott zukommen lassen kann, der wird wahrhaft frei, bereit für das größte Gotteswunder. Christus zeigt dem Seher eine Frau, die viel erleidet, aber in ihrer Barmherzigkeit vielen eine aufhelfende Mutter ist. Ihr soll er künden, dass sie trotz ihres Leides gesegnet ist. Denn niemand kann anderen zum Segen werden, der nicht selbst im Segen Christi steht.
→ zum Original-Kapitel II.IV.II.II in der »Satya ›P‹raha«
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