Der große Tathagata:
Lockruf aus dem lodernden Flammenhaus

Kommentar: Eine Liebes-Erklärung

Teil 3: Kommentierung der einzelnen Kapitel
V. „Tathagata“, der „Ewig-Vater“ – eine ziehende Dreifaltigkeit?

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Da nach dem zugrunde-liegenden Buddha-Gleichnis die drei Fahrzeuge, durch welche der große Tathagata Seine Kinder aus dem brennenden Haus zu locken sucht, in Wahrheit – wie in der „Lotos Sutra“ immer wieder betont wird – ein einziges (`dreifaltiges´) Fahrzeug sind, folglich durch ihre drei Zugkräfte (Ochse – Hirsche – Ziegen) A immer nur der eine große Tathagata zieht, B liegt eine Darstellung Tathagatas als dreifaltige Gottheit (Ochsen-Hirsch-Zicklein) nahe. Dass Tathagata dabei ein trinitarisches Erscheinungsbild erhält, wie es in vielen Religionen zu finden ist, könnte dabei mehr als nur ein Zufall sein:

Freilich erinnert Christen das sofort an die christliche Gottes-Vorstellung – einer vom Christuswesen in allen drei Gottes-Personen gleich bestimmten Dreieinigkeit „C3“, gemeinhin bekannt als „Vater-Sohn-Geist“. C1 Und freilich darf man, wenn man will, in diesem Bild auch die christliche Trinität wieder finden. Dies muss aber keineswegs bedeuten, dass hier Tathagata von der christlichen Gottesvorstellung vereinnahmt wird. Die Vorstellung von der höchsten Gottheit als Dreifaltigkeit ist weit verbreiteter als gemeinhin bekannt:

Im (vielfältigst mit dem Buddhismus verschmolzenen) Daoismus/Taoismus stellen die „drei Reinen“, auch „Unsterbliche“ genannt, die Triade der höchsten Gottheiten: der „Himmels-Ehrwürdige des Uranfangs“ (vergleichbar mit dem christlichen „Vater“), der „Himmels-Ehrwürdige des übernatürlichen Schatzes“ (z.T. der vergöttlichte Laotse, der mitunter auch gleichgesetzt wird mit Buddha – vergleichbar mit dem christlichen „Sohn“) und der „Himmels-Ehrwürdige des Weges und der Tugend“, der „ehrwürdige Alte“ (vergleichbar mit dem zur Heiligung anreizenden christlichen „Heiligen Geist“).

Im Hinduismus ist es die Trimurti „Brahman-Shiva-Vishnu“ oder bei den Shakti in deren femininen Äquivalenten „Sarasvati-Kali-Lakshmi“. Hier entspräche Brahman als göttlicher Urkraft allen Seins dem Geist (vgl. Weisheit 12,1), Shiva als der Gott, der tötet und wieder lebendig macht, dem Vater (vgl. Dtn 32,39; I Sam 2,6; Ps 104,29-30), Vishnu als die göttliche Liebe, die alles erhält und sich in Ihre Avatare inkarniert, um alle zu erlösen, dem Sohn (vgl. Prov 8,22-31; Weisheit 7,27; 10,16; I Kor 1,30; 2,7-8; Hebr 1,1-3). Ferner bilden auch Shiva und seine Gemahlin, sein weibliches Äquivalent, Kali, die Kräfte der Zerstörung und Erneuerung, und ihr gemeinsames Kind, Ganesha, der Gott der Weisheit, der daraus erwächst, eine Dreiheit.

Mindestens ebenso alt sind die Vorstellungen einer höchsten Trias in den antiken Religionen: die drei Morigan oder Matres „Mädchen-Mutter-Greisin“ bei Iren und Kelten, die Trias „Osiris-Isis-Horus“ bei den Ägyptern, die Triaden bei den Römern: die Aventinische Trias „Ceres-Liber-Libera“ bei den Plebejern, die archaische Trias „Jupiter-Mars-Quirinus“ und die bekannteste Kapitolinische Trias „Juptier-Juno-Minerva“ bei den Patriziern. Die Vorstellung der höchsten Gottheit als Dreifaltigkeit findet sich folglich in vielen Religionen.

Selbst auch im Buddhismus gibt es eine Drei-Einigkeit, zu welcher der Buddhist Zuflucht nimmt: „die drei Köstlichen Juwelen“ der Triratna „Buddha-Dhammo-Sangho“, wobei Buddha dem Sohn, das Dhammo als die unergründliche Wunderhaftigkeit (des unbeschreibbaren, nur in der Meditation erfahrbaren Nirwanas bzw. Himmels – vgl. 085b) dem Vater, der Sangho (der buddhistische Mönchsorden) aber dem Wirkungsbereich des Heiligen Geistes (wie im Christentum die heilige christliche Kirche) entspricht.

Sogar „Allah“, „al Ilah“, („die [eine/höchste] Gottheit“) – (nach den `Reformen´ des Propheten Mohammed bei seiner `Tempelreinigung´ der Kaaba) der alleinige Gott der bis heute strengsten, radikalsten Form des Monotheismus D hatte nach dem ursprünglichen Glauben der Araber, als (Stammesgott der Quraisch, der Koraischiten, denen Mohammed angehörte, und als) der höchste Gott-Vater eines Pantheons von 364 Gottheiten E aller arabischen Sippen, (als der Mond-Gott, der mit seinem femininen Aspekt, der Sonne, vereinigt war) in Gestalt Seiner drei göttlichen Töchter eine Trias von drei – noch dazu femininen! – Emanationen („Ausflüssen“: Erscheinungsformen, Verkörperungen, Personifikationen): „AlLat-Uzza-Manat“. F So findet sich vielerorts für die höchste Gottheit ein trinitarisches Bild.

Freilich kann und darf man, wenn man denn will, in der dreifaltigen Erscheinung des „Ewig-Vaters“ G Tathagata auch die im Christentum verehrte Trinität C2 wieder finden. Eine einseitige, einengende Deutung des Gleichnisses – auf nur diese von den Christen verehrte trinitarische Gottheit allein – drängt sich aber keineswegs auf und wird der Gesamt-Aussage der vorliegenden Parabel H1 wohl auch kaum gerecht.

Trotzdem bietet die Parabel aber auch zu dieser christlichen Gottesvorstellung eine erstaunliche optimale Passung: Stehen die Zicklein für alle irdischen Lebewesen (`Fleisch-Wesen´), die Hirschwesen für alle (schon höher entwickelten) überirdischen, himmlischen Existenzen von Göttern und Engeln (`Geist-Wesen´), I so der Ochse, der weiße Büffel, für die höchste Ur-Gottheit selbst, J1 aus der alles Leben und Sein entspringt, K die alles in sich eint, umschließt und fasst. L Erstaunlicher Weise berühren diese drei Existenz-Bereiche gerade auch die göttliche Trinität von Vater, Geist und Sohn: Der Vater stellt die höchste, transzendente Ur-Gottheit, J2 der Geist Seine Erscheinungsform in der himmlischen Geisterwelt, M der (Menschen-)Sohn aber Seine Erscheinungsform in der irdischen Leiberwelt. N

Die dreifaltige Gestalt des Tathagata hat hier aber einen anderen, noch viel tiefsinnigeren Symbol-Charakter: Stellt in dieser Parabel das Ziegen-Gespann den Pantheismus, das Hirschen-Gespann den Polytheismus und das Ochsen-Gespann den Monotheismus, so ist die Darstellung Tathagatas als Ochsen-Hirsch-Zicklein von großer Aussagekraft: Tathagata ist der Inbegriff der göttlichen Liebe, O die alles in allem ist und sich in allen Formen von Religion finden lässt, H2 (und die) durch geschickteste Mittel und vielfältigste Gottes-Namen, -Bilder und -Gleichnisse P (- je nach dem Wunschbild und Fassungsvermögen Ihrer Kleinen, und – im Gleichnis – nach den ihnen vertrauten verschiedenen `Spielzeugen´ -) eine Unzahl von Zugängen zu sich schafft Q und so allen alles wird, damit Ihr Lockruf der allen geltenden bedingungslosen Liebe auch wirklich ausnahmslos alle erreichen kann. R

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  1. ↑A vgl. I Kor 12,4-6; 8,5-6; Joh 10,16; 14,2
  2. ↑B vgl. Joh 6,44; 12,32
  3. ↑C1 ↑C2 vgl. Trinitätsbekenntnis in Mt 28,19; 23,8-10; I Kor 12,4-6; Apk 1,4-5 – sowie die Erscheinung des einen Gottes in drei Personen: Gen 18,1-5.
     
    Die Gleichsetzung Christi mit dem noch größeren Vater (vgl. Joh 10,28-29; Mk 13,32; 10,18), aus dem der Sohn ausgegangen ist und zu dem Er zurück kehrt (vgl. Joh 16,28; 17,5.8; 14,28), [- wenngleich Christus in diesem Äon aufgrund Seiner Entäußerung unter Ihm (vgl. Phil 3,6-11; I Kor 15,25-28) in völliger Abhängigkeit zu Ihm (vgl. Joh 3,27; 5,17.30; vgl. 15,4) steht – ], findet sich in Joh 1,1-3.14; 14,1.8-10; 20,28; Röm 9,5; I Joh 5,20; Apk 1,8; 22,12-13.20 (vgl. Jes 44,6); Kol 1,19-20; 2,9; Jes 10,5; Mt 1,21-23.
     
    In Joh 1,24 wird der Geist mit Gott, dem Vater, gleichgesetzt, in II Kor 3,17 mit dem Herrn Jesus Christus; in Röm 10,4-13 wird der rettende Name des Herrn, Gottes, „JHWH“ (Jes 42,8; Ex 3,14-15; 6,2-3), mit dem Christi gleichgesetzt; vgl. dazu auch Act 22,16; 4,12.
     
    Dennoch erscheinen sich Vater und Sohn, wie auch Sohn und Geist, als Gegenüber: vgl. Mt 3,16-17; 12,15-18; 17,5; 26,39.42; Joh 12,28; 17,2-3.5-6; 14,15-18; Act 2,33.
     
    Die vollständige Verkörperung sogar der gesamten Dreieinigkeit selbst in Christus (vgl. Kol 1,19-20: 2,9; II Kor 5,18-19) findet sich in der Gleichsetzung der Taufe auf den „Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes“ mit der Taufe allein auf den „Namen Jesus“ (vgl. Mt 28,19; Act 2,38; 22,16), sowie im Gebrauch des göttlichen „Wir“s durch Christus (Mt 3,15; vgl. Gen 1,26; 3,22; 11,7; Jes 6,8). – In gewisser Hinsicht ist Christus sogar größer als der Vater, indem Er in sich Schöpfer und Schöpfung vollständig zusammenfasst und vereint (Eph 1,10).
     
    Weniger anstößig wird dieser Gedanke vielleicht, wenn man die Entsprechung des Trinitätsdogmas zur Zwei-Naturen-Lehre (Christi) bedenkt: Erklärt das erste Dogma, dass die wesens-gleichen Personen des göttlichen Vaters und des geschöpflichen Sohnes ein einziges Gottes-Wesen bilden, so die Zwei-Naturen-Lehre, dass sich in der einen Person Jesu Christi zwei – eigentlich einander widersprechende Naturen – Sein göttliches wie Sein geschöpfliches Wesen – unvermischt wie ungetrennt miteinander vereinen.
     
    So drücken beide Dogmen im Grunde das selbe – nur unter einem anderen Blickwinkel – aus: (075a) (075b). In der einen Person des Christus-Gottes liegt sowohl die Person (das Wesen, die Natur) des göttlichen Vaters wie die Person (das Wesen, die Natur) des geschöpflichen Sohnes. Was wir `Vater´ nennen, ist der göttliche Christus (vgl. Joh 14,8-9; 21,5), was wir `Sohn´ nennen, der irdische Jesus (vgl. Luk 1,35). Gott ist im Christus Jesus Sein eigener Vater, Sein eigener Sohn, Sein eigener Schöpfer, Seine eigene Schöpfung (vgl. Kol 1,15-16; Apk 3,14; Gal 4,4; Jes 9,5; Röm 9,5; I Petr 1,20) – und beides zugleich.

  4. ↑D vgl. Bekenntnis des jüdischen Glaubens in der „Shema Israel“: Dtn 6,4; vgl. Ex 20,1-5; Jes 42,8; 45,5-7
  5. ↑E vgl. Gen 6,2; Ijob 1,6; 2,1; Dan 7,10; I Reg 22,19; Ps 82,1.6
  6. ↑F vgl. „Ruach“, der Geist, die „Alles-Durchhauchung“ Gottes (im Hebräischen weiblich) und „Achamoth“, die göttliche Weisheit (Prov 8,21-33; Weisheit 7,12.21-30; 8,3-4; 9,1-2.4.9; Jes Sir 4,12-22), als eine feminine Emanation, des jüdischen Gottes Jahwe
  7. ↑G vgl. Jes 63,16
  8. ↑H1 ↑H2 (069) Primäre Aussage der Parabel: Die Gottheit lässt sich von je her auf vielfältige Weise finden; vgl. Jes 41,4-7; 40,18.25; Röm 3,29; 2,14-15.28-29; 9,30; 10,12-13.18; Kol 1,6.23; Mal 1,11.14; Joh 10,16; 14,2; 4,20-21.23
  9. ↑I vgl. Hebr 1,14; Ps 103,20-21; Apk 19,10; 22,8-9; Luk 20,35-36
  10. ↑J1 ↑J2 vgl. Dan 2,47; Ps 95,3; 96,4; 82,1.6; Dtn 10,17; 32,8! Das Bild des Büffels für Gott kennt übrigens auch die Bibel selbst (Num 23,22.; 24,8; Dtn 33,17) – ebenso wie das des Stiers für die widergöttliche Macht (Ex 32,1-4)
  11. ↑K vgl. Kol 1,16; Ijob 34,14-15; Weisheit 12,1; Num 16,22
  12. ↑L vgl. Act 17,28; Eph 1,10.23; 4,6; Röm 1,19-20; 11,36
  13. ↑M In ihrer Auferstehung sollen die Menschen engelsgleich werden (Luk 20,35-36). Entsprechend wird der auferstandene Christus nicht nur mit dem Geist (Gottes) gleichgesetzt (vgl. I Petr 3,18; I Kor 15,45; II Kor 3,17), sondern auch als Geist- und Engels-Wesen beschrieben (Röm 1,4; Act 8,26.29; 27,23; 23,11; I Thess 4,16; vgl. Apk 1,13-15; Dan 10,6; vgl. Apk 22,16; Ijob 38,7; Jes 14,12).
     
    Ebenso wird schon der prä-existente Christus als Engelswesen dargestellt (vgl. Kol 1,15; Apk 3,14; Hebr 1,1-14; 2,5-7 4,14) und ist wohl mit dem atl. himmlischen Gottes-Repräsentanten des „Engels des Herrn“ (Vgl. insb. Sach 3,1-5/Röm 8,31-34; Hebr 7,25-27!), der sich anbeten und opfern lässt (Ex 3,2.4.13-15; Jdc 6,16-24; 13,15-23 – gegen Apk 22,8-9), wie auch mit dem himml. Hohenpriester „Melchisedek“ (Gen 14,17-20; Joh 8,56-59; Hebr 7,1-10; 5,6.10; 6,20; 7,17.21) gleichzusetzen.

  14. ↑N vgl. Jes 7,14; 9,5-6; Dtn 18,15.18; Gal 4,4; Röm 1,3; 9,5; Mt 17,12; Joh 19,5; Phil 2,6-8; Hebr 4,15
  15. ↑O vgl. I Joh 4,7-11.16-18; I Kor 13,4-8
  16. ↑P Siehe Zitate aus der „Lotos Sutra“ im Vorwort der Parabel! 001d! Vgl. Ex 6,2-3; I Kor 8,5-6 Mk 4,33 gegen Röm 1,23; Das Verbot, Gott auf ein Bild festzulegen (Ex 20,4-5), müsste eigentlich offen machen für alle Gottesvorstellungen (vgl. I Kor 13,8-12; 3,18; Jes 40,18.25)!
  17. ↑Q vgl. Röm 10,12-13.18; Kol 1,6.23; Jes 41,4-7; Mal 1,11.14; I Kor 10,19; 8,4-7
  18. ↑R vgl. I Kor 9,19-22