14 Gemüt und Geist, Gebundenheit und Freiheit

(Bhagavadgita XIV, 1-27)

Zur Bemeisterung des Lebens ist die Gabe der Geistunterscheidung wichtig –
die Kenntnis der drei „Gumas“, der möglichen seelischen Befindlichkeiten,
die nach der Seele greifen, und ihrer Wirkung:

„Tamas“ ist die lähmende Täuschung,
in der das Ego sich isoliert von allem auf sich selbst zurück geworfen sieht.

„Rajas“ ist das Verlangen, das in Rastlosigkeit wirft.

„Sattwa“ ist die Erleuchtung, ewig unverlierbar in die universale Liebe eingebunden zu sein,
die von allen Gemütszuständen befreit.

Nichts kann so bergen wie der göttliche Mutterschoß der liebenden Gottheit!

Eine universelle Bibel, mit ewigen, unverbrüchlichen Wahrheiten aus allen Religionen,
die das Herz öffnen, die jedes offene, weite Herz bejahen muss.

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Kapitel 14 „Gemüt und Geist, Gebundenheit und Freiheit“ stellt die verschiedenen psychischen Verfassungen vor, welcher eine Seele sich während ihres Erdenlebens stellen muss, und zeigt auf, wie diese bemeistert werden können.

Nachdem aus der unsichtbaren Welt um den Gemütszustand jeder Seele gestritten wird, bittet Arjuna um Erkenntnis zur Unterscheidung der Geister und fragt, vor welchen er sich insbesondere hüten müsse.

Zunächst erklärt Christus, dass der beste Schutz gegen Geister, die nach unten ziehen, darin besteht, sich in den Mutterschoß der Gottheit zu flüchten. Hier kann es helfen, sich die liebste fürsorgliche Person vorzustellen, die man kennt – Mutter oder Vater, Großmutter oder Großvater oder die geliebteste Seele. Christus übertrifft deren gütiges Wesen um ein Vielfaches. Und wenn jene geliebte Person, die Geborgenheit schenkte, nicht mehr da sein sollte: Christus ist immer da.

Daraufhin führt Christus aus, dass es drei „Gunas“ gibt, „Bewusstseins-Bestimmungen“, Gemütszustände und seelische Befindlichkeiten, die alle Wesen in allen Sphären bestimmen: „Rajas“ und „Tamas“, die das Selbstbewusstsein eines Wesens auf sein begrenztes zeitliches Sein einschränken und darum nach unten ziehen, und „Sattwa“, das Erleuchtung über das Eingebundenseins ins universale Göttliche schenkt und darum nach oben zieht.

„Sattwa“ kann allerdings in „Rajas“ umschlagen, wenn dieser Bewusstseinszustand zwanghaft durch eigene Bemühungen gehalten werden will. „Rajas“ ist nämlich ein ans eigene „ich“ bindendes Verlangen. Wer sich also künstlich durch Kraftanstrengung in „Sattwa“ halten will, ist in Wahrheit schon aus diesem Bewusstseinszustand wieder gefallen, weil er verkennt, dass er – unabhängig von seinem Gemütszustand, auch bei mitunter ausbleibenden Glücksgefühlen – immer in „Sattwa“, nämlich im Mutterschoß der Gottheit geborgen ist.

Solch ein rajas-geleitetes Verlangen nach Sattwa kann zwei Formen annehmen: entweder übersteigertes Getriebensein hin zum Wirken oder aber die strikte Verweigerung des Wirkens in den Niederungen des Alltags, um sich in geistlichen Höhenflügen zu halten. Es gilt jedoch, sich weder vom Teufel in Rastlosigkeit treiben zu lassen (- Die der Teufel nicht bremsen kann, die zieht er nämlich! -), noch, im Verlangen, den augenblicklichen Glückszustand zu halten, alles Notwendige, das für ein gelingendes Leben nun auch einmal getan werden muss, zu verdrängen und auf die lange Bank zu schieben (- des Teufels liebstes Möbelstück!).

Hier erzählt Christus ein Gleichnis, um dies zu verdeutlichen: Vor Anbruch der Sintflut wird ein vermeintlich gläubiger Mann aufgefordert, sich mit den anderen Fliehenden in die Arche Gottes zu begeben. Dieser lehnt ab, er warte auf die persönliche Aushilfe seines Herren. Als er schließlich – von der Sintflut dahin gerafft – anklagend vor seinen Herrn tritt, überführt ihn dieser mit der Frage: „Du Narr! Habe Ich dir Meine Hilfe denn nicht angeboten?“ So hilft Gott zur Selbsthilfe, und das Vertrauen auf Sein Wirken ermutigt und motiviert zu eigenem Wirken. Wer Zuflucht bei Gott sucht, um sich aus seinen Verantwortlichkeiten zu drücken, wird diesen Hort, den er sucht, so nicht finden. Solch einer ist nämlich ein Schwärmer, Tagträumer und Schaumschläger, der in Wahrheit noch nichts erkannt hat.

Trotzdem – führt Christus aus – sind alle verschiedenen seelischen Befindlichkeiten notwendig zur Ausreifung der Seele und müssen durchlebt und schließlich überwunden werden.

„Tamas“, die Täuschung, auf sein eigenes Ego zurück geworfen zu sein, führt entweder – bei Misserfolg – zu Selbst-Mitleid und lähmender Depression, dem seelischen Tod oder aber – bei Erfolg – zu Selbstgenügsamkeit, Abstumpfung des Mitgefühls und innerem Herzenstod. Immer aber führt das trost-lose ego-zentrierte „Tamas“ letztendlich zu Untätigkeit.

„Tamas“ und „Rajas“ bedingen einander. Sobald „Rajas“, das Verlangen, das in Rastlosigkeit wirft, aufgezehrt ist, schlägt es in die lähmende Form von „Tamas“, in Depression und Apathie, um; solange das rajas-geleitete Streben erfolgreich ist, bindet es in Selbst-Genügsamkeit und Herzenstod.

Die letztere Form von „Tamas“, Selbst-Täuschung, ist unheilbar, bis sie infolge von „Rajas“ in die erstere Form von „Tamas“, Selbst-Mitleid, umschlägt. Hier ist die Seele zwar am gefährdetsten, zugleich jedoch am nächsten dem Heil, ihrer Befreiung.

„Rajas“, der innere Antrieb aus Verlangen, kann zeitweilig aus „Tamas“ heraus führen, wenn wieder Hoffnung aufkeimt, hält jedoch in „Tamas“, dem trügerischen Schein, selbst das Schicksal in die Hand nehmen zu müssen und zu können, bis er schließlich wieder gänzlich in „Tamas“, in völlige Untätigkeit – umschlägt.

Allein „Sattwa“, die Erkenntnis, immer und unverlierbar vom göttlichen Licht umgeben und durchdrungen zu sein, befreit aus „Rajas“, der inneren Unrast und Unruhe aus Verlangen, sowie aus „Tamas“, der Lähmung aufgrund von Selbst-Genügsamkeit oder aber Selbst-Mitleid.

Der jeweilige Geist, also die „Guna“, die „seelische Befindlichkeit“, die eine Seele beim Sterben beherrscht und ihr bei ihrem Verscheiden innewohnt, bestimmt deren Wiedergeburt:

Wer in „Sattwa“ stirbt, steigt unweigerlich nach oben, wer in „Rajas“ verscheidet, kommt unter werk-bestimmten Menschen wieder zur Welt, wer in „Tamas“ den Geist aufgibt, wird im Schoße von trostlosen Menschen empfangen, die in völlige Unwissenheit gehüllt sind. Ungeachtet dieser karmischen Verbindungen liegt aber dennoch in jeder Wiedergeburt eine gewisse Chance auf einen Neuanfang, weil die Seele von belastenden und bindenden Erinnerungen gereinigt und freigesetzt ist.

Immer ist es jedoch so, dass die seelische Befindlichkeit das Handeln und dies wiederum das Geschick bestimmt, welches auf die seelische Befindlichkeit zurück wirkt. Dennoch nutzt die Gottheit diese Gemütszustände, um Ihre Seelen reifen zu lassen. Diese Erkenntnis ist zugleich die Erlösung aus der inneren Bindung an diese seelischen Befindlichkeiten. Denn wer dies erkennt, gelangt zum „mad-bhava“, in den glückseligen Zustand der Ruhe in der Bewegung des Göttlichen.

Der ist inwendig gleichsam schon der Welt entrückt und aus ihren Befindlichkeiten genommen, hoch erhaben über den drei Gunas, dass er jene seelischen Befindlichkeiten vorüber ziehen lassen kann wie jemand, auf einer sicheren Hochfeste geborgen, verschiedene Wetterabläufe vorüber ziehen lässt, ja, er ist gleichsam eingegangen in die Himmel, was sich sogar an einer äußeren Verklärung oder aber an Macht über die Elemente und Naturgewalten zeigen kann. Immer handelt ein solcher jedoch in Einklang mit der göttlichen Bewegung, die er erspürt, und lässt sich nicht dazu verleiten, das Zeugnis seiner inneren Stimme, dies alles in der Vollmacht eines Gotteskindes zu vermögen, zu überprüfen, sondern fügt sich zustimmend in alles, was die Gottheit geschehen oder nicht geschehen lässt, im Wissen: es ist gut.

In diesen befreiten Zustand kommt besonders jeder, der sich der immer gültigen, unverlierbaren göttlichen Liebe gewiss geworden ist und in ihr aufzugehen trachtet. Christus ist der „Puruschottama“, der „All-Durchwalter“, der alles zum Guten hinausführt. Das ist die Wonne des Glücks für jeden Erleuchteten.

→ zum Original-Kapitel XIV in der »Satya ›P‹raha«
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