18.1 Rückzug und Auszug

(Bhagavadgita XVIII, 1-39)

Gewöhnlich ist tatkräftiger Einsatz für das Gute geboten.
Manchmal verordnet Gott tatkräftigen Menschen aber auch eine „Auszeit“ …

Das wirklich beste Patentrezept:
„Nur bitte keine Patentrezepte!“

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Kapitel 18.1 „Rückzug und Auszug“ beschäftigt sich mit der Frage, wie man sicherer zu Gott und sich selbst findet: durch Rückzug aus der Welt oder durch Auszug in die Welt.

Arjuna bittet um Erklärung, was „Sannyasa“ und was „Tyaga“ ist. Christus erklärt, „Sannyasa“ ist der Verzicht auf begehrte Handlungen, „Tyaga“ ist der Verzicht auf begehrte Früchte von Handlungen.

Manche Gelehrte meinen, man sollte auf jegliche Handlungen verzichten, um sich in der Gottesschau zu üben, andere aber, notwendige Taten der Liebe sollten unbedingt immer vollzogen werden.

Christus erklärt, dass auf Taten der Liebe auf keinen Fall verzichtet werden sollte. Die Motivation dafür kann freilich unterschiedlich sein: sattwa-artig, wenn sie im Wissen, dass der Herr alles gut macht, frei und zwanglos vollzogen werden, rajas-artig, wenn man sich von ihnen etwas verspricht, und tamas-artig, wenn sie in völliger geistlicher Umnachtung in ein zwanghaftes (oder) fanatisches Handeln pervertiert sind.

Gute Taten sollten immer vollzogen werden, auch wenn man sich über seine Beweggründe nicht gänzlich im Klaren ist. Denn auch wenn ein böser Mensch guten Samen sät, wird dieser aufgehen und Frucht bringen. Andererseits darf das Liebeswerk nicht zu einer zwanghaften Handlung werden, die versklavt. Jeder hat auch Anspruch darauf, auf diese Handlungen zu verzichten, wenn er selbst Zuwendung und Auferbauung braucht.

Der gänzliche Verzicht auf Liebestaten, nur weil diese falsch motiviert sein könnten, ist jedoch abzulehnen. Wer das tut, gleicht dem vom Herrn getadelten Knecht, der sein Talent vergräbt. Wer Gutes zu tun weiß und es nicht tut, dem ist es Sünde.

Solcher Verzicht auf gute Taten kann verschieden negativ motiviert sein: Tamas-artig ist er, wenn man nicht darum weiß, dass jede gute Tat – unabhängig von ihrer Motivation – Gutes bewirkt. Rajas-artig ist der Verzicht auf gute Taten, wenn man sich um die damit verbundene Anstrengung drücken will, auch wenn dies – fromm kaschiert – geschieht, um sich angeblich in der Gottesschau üben zu wollen. Solch einem Menschen wird sich Christus so wenig zuwenden, wie dieser sich den Hilfsbedürftigen, in denen Christus wahrhaft zu finden ist, zuwendet. Sattwa-artig ist folglich eine gute Tat, die um ihrer Notwendigkeit willen vollzogen wird, ohne dass man an die Tat selbst, noch an ihr Resultat innerlich gebunden ist.

Arjuna fragt betroffen, irritiert, wie sich aber jemand entscheiden soll, der meint, aufgrund seiner geistlichen Unreife sollte er sich erst in der Gottesschau üben, wenn dieser sich jedoch über seine wahren Beweggründe nicht schlüssig ist, ob er sich nicht am Ende nur um die Anstrengung guter Taten drücken will.

Christus erklärt, dass es zu jeder Regel eine Ausnahme gibt: Allgemein ist tätige Liebe besser als der Verzicht auf das Wirken. Manchmal kann die Verstrickung ins Wirken aber auch schädlich sein, wenn nämlich ein Innehalten geboten ist, um wirklich erst einmal zu Gott und zu sich selbst zu finden.

Wer zu Bequemlichkeit, Tagträumereien und fixen Ideen neigt, dem ist der Weg des Handelns geboten; wer aber zu Übereifer neigt, der Verzicht auf das Handeln. So gilt es für jeden, abzuwägen, was für ihn geboten ist.

Manchmal ist es besser, sich nicht in die Schlacht zu werfen, wenn man merkt, dass man jener nicht gewachsen ist. Manchmal ist es das größere Opfer, einmal auf das Opfer zu verzichten. Es gilt, sich sowohl vor dem inneren Rajas-Antreiber, der aus schlechtem Gewissen in blinden Aktionismus treibt, wie vor dem inneren Tamas-Bemitleider, der zur übersteigerten Selbst-Schonung verleitet, zu hüten.

Das Sabbatgebot zeigt, dass zwischen Schaffen, Arbeiten und Wirken auf der einen Seite und Ruhen, Innehalten und Entspannen auf der anderen Seite eine Ausgewogenheit herrschen sollte.

Wer aber zu einem Extrem neigt, sei dies nun rastloses Tätigsein oder aber bequemes Untätigsein, dem ist das jeweilige Gegenteil, das gegen seine Grundhaltung steht, anzuraten. Ein Kennzeichen dafür, was geboten ist, zeigt sich darin, ob man bei seiner Wahl unter einem gewissen Zwang steht, oder einem inneren Drang folgt, der, wenn man ihm nachgeht, zur Ruhe bringt.

Manchmal kann das Gute, die vermeintlich gute Tat, tatsächlich der Feind des Besseren oder Besten sein. So hätte beispielsweise Siddharta Gautauma sicher viel Gutes wirken können, wenn er seiner Rolle als Prinz, Ehemann und Vater nachgekommen wäre. Er hätte dann aber niemals die Erleuchtung gefunden, die viel nachhaltiger segensreich in Zeit und Geschichte wirkte. Sein zunächst gewählter Verzicht auf das Wirken setzte später also viel vollmächtigeres Wirken frei.

Ein Blinder kann keinen Blinden führen. Niemand kann einem anderen zum Wahren verhelfen, der selbst nicht für sich das Wahre gefunden hat. Ein Krüppel kann keinen Krüppel pflegen; und wer selbst noch ein Brett vorm Kopf hat, kann einem anderen nicht helfen, seinen Splitter aus dem Auge zu ziehen. So kann eine „Auszeit“, der Rückzug aus der Geschäftigkeit der Welt zur inneren Einkehr, um zu Gott und zu sich selbst zu finden, durchaus oft auch geboten sein.

Nicht selten verordnet Gott selbst solche „Auszeiten“, indem Er in Lebenskrisen wirft, in denen alles fraglich wird, so dass es manchem bislang rastlos Tätigen unmöglich wird, so weiter zu machen, wie bisher, und ihm ein grundsätzliches Innehalten zu einer gänzlichen Neuorientierung aufgezwungen wird, was seine Zeit braucht.

So hat alles unter dem Himmel seine Zeit und seine Stunde. Gutes wirken ist gut, manchmal kann der Verzicht auf vorschnell gutes Wirken aber noch besser sein. Wenn sich jemand fragt, was für ihn geboten ist, zu wirken oder inne zu halten, soll er sich überlegen, was seinen Widerwillen gegen das Wirken verursacht. Hat er wirklich seinen Platz im Universum gefunden, den keiner wie er ausfüllen kann, der ihm von Gott zugedacht wurde? Dort zu wirken erfüllt nämlich gewöhnlich, stiftet Lebensfreude und Sinn! Oder wirkt er nur dort, weil andere ihm sagen, dass dies nur recht und billig sei und weil er sich von einem falschen schlechten Gewissen ganz wieder seine eigentliche Natur in etwas ihm damit Schädliches hinein treiben lässt? Meint er, es wäre zu verwegen und ungebührlich, wohin es sein Herz eigentlich zieht? Hier gilt es wirklich, die eigenen Beweggründe zu erforschen! Denn manchmal drängt auch der Rajas-Geist in ein bestimmtes Wirken, indem er sich als vermeintlicher Sattwa-Geist ausgibt.

Darum sollte jeder in Hinblick auf die Frage, ob für ihn Wirken oder Verweilen und Innehalten geboten ist, um sich neu zu orientieren, von seinem Herzen leiten lassen. Wenn dies im Vertrauen auf Gottes Leitung geschieht, wird dieser Herzensweg immer der beste sein. Wenn dieser Weg bisweilen auch in Sackgassen und zum Scheitern führen mag, so war es wenigstens die eigene Fehl-Entscheidung, deren Konsequenzen man zu tragen hat. Dann ist man aber sich selbst treu geblieben und hat etwas dazu gelernt. Darum ist es immer besser, der eigenen Stimme zu folgen und Fehler zu machen, statt negative Konsequenzen tragen zu müssen für etwas, was man selber gar nicht wollte, und dann vielleicht gar noch – vom Rajas-Geist eines schlechten Gewissens getrieben – auf diesem falschen Weg noch zu verbleiben, obwohl dieser nur auszehrt und keinerlei Erfüllung bringt.

So wäre es töricht, zu meinen, der Weg, der einem widerstrebt, müsse darum immer der selbst-losere und darum der gebotene, richtige Weg sein. Ein weiser Mensch wägt „Für“ und „Wider“ ab, ohne sich von seinen Empfindungen vorschnell in die eine oder andere Richtung verleiten zu lassen. Er versucht vielmehr, sein ureigentlichstes Herzensverlangen zu ergründen. Wird ein solcher durch äußere Umstände in ein notwendiges Wirken gezwungen, das seinem innersten Verlangen eigentlich widerstrebt, so macht er sich das Unerfreuliche zu seinem Lehrmeister und Freund; umgekehrt erkennt er im Erfreulichen seinen Versucher und Feind, und wägt ab, ohne sich vorschnell von Neigungen verleiten zu lassen.

Schließlich muss erkannt werden, dass sich jedes verkörperte Wesen immer in irgendeiner Bewegung befindet und nicht wirkungslos bleiben kann. So kann auch das Nicht-Handeln, das Innehalten, durchaus wirkungsvoll sein. Entscheidend bei der Wahl zwischen Wirken und Nicht-Wirken ist, dass dies im Vertrauen auf Christus vollzogen wird, und, dass man in diesem Vertrauen vielleicht auch einmal ungewöhnliche, neue Wege zu beschreiten wagt.

In Hinblick auf Erfolg und Misserfolg muss man schließlich beachten, dass es viele Kräfte gibt, die das Geschick bestimmen. Im Allgemeinen hält der Mensch sich für frei, für seines eigenen Glückes Schmied, so dass er erfahrungsgemäß Erfolge sich selbst zuschreibt, für Misserfolge aber Gott verantwortlich macht.

Diese Freiheit des Menschen ist jedoch ein großer Trugschluss. Es gibt fünf Ursachen, die jedes Geschick bestimmen: einmal der „Gott dieser Welt“, der Satan mit seinen dämonischen Heeren, der die ganze Welt beherrscht, dann Christus mit Seinen Engelsheeren, welche um die Freisetzung der Menschen ringen, schließlich die Macht der Sündenverfallenheit, ferner wohl auch die gottgleiche Selbst-Ursächlichkeit aller menschlichen Seelen, die sich damit aber einerseits gegenseitig beeinflussen oder beeinträchtigen, andererseits aber auch wiederum den Gesetzen des Karmas unterliegen, das jedoch ein göttliches Dharma ist und ihrer Ausreifung dient, sowie auch ihr Reifegrad bestimmt, in welche Richtung sie sich bewegen. Letztlich ist aber alles doch immer Gott unterworfen, der alles in allem auf Sein Ziel hin bewegt, wie schon das Sprichwort sagt: „Der Mensch denkt, Gott lenkt“. Absolute Freisetzung kann es darum nur in und unter Christus geben.

Wer in dieser Einheit mit der göttlichen Ruach handelt, kann sogar töten und doch keiner Sünde schuldig werden. Christus erklärt diesen erschreckenden Satz: In der gegenwärtigen Haushaltung der Christenheit freilich ist von Seiten der Christen jeder irdischen Gewalt die höhere Gewalt des Geistes und der Liebe entgegen zu setzten. In dieser Zeit wird und soll nicht mit irdischen Waffen gekämpft werden.

So war es jedoch nicht immer: In der Haushaltung für Israel, im Alten Bund, war dem Volk Gottes durchaus geboten, mit irdischer Waffengewalt Gewalt einzudämmen. Wenn die Christenheit dermaleinst von der Erde zu Christus entrückt wird, wird diese alte Haushaltung für Israel wieder aufgenommen und sich die letzte ihm prophezeite Jahrwoche, die noch aussteht, erfüllen. Diese sieben Jahre enden mit der Wiederkunft Christi und Seiner zu Ihm (zuvor) entrückt wordenen Christen, um Sein Messiasreich unter der Oberherrschaft Israels auf Erden aufzurichten.

Vorher hat sich das gläubig gewordene Volk Israel jedoch gegen den Antichristen zu behaupten und wird in einem Heiligen Krieg mit ihm hineingezogen werden. Dann gilt wieder das alttestamentliche Gebot: „Verflucht ist, wer sein Schwert vom Blut zurück hält“. Denn hier wird die gewaltsame Abwehr der antichristlichen Gewalt zum Eigenschutz lebensnotwendig sein.

Mit der Entrückung der Christen wird sich der Geist Christi nämlich von der Erde zurückziehen und dann nur noch in hundertvierundvierzigtausend geist-gesalbten messianischen Missionaren und in den beiden großen Zeugen gegenwärtig sein, so dass der Geist des Antichristen aufsteigen kann und viele Seelen teuflisch versiegeln wird. Für diese gibt es keine Möglichkeit der Umkehr mehr, nur noch den Weg durch Leid, Tod und Höllenqualen, die sie erst nach Äonen läutern werden. Darum muss ihnen gnadenlos gewehrt werden, wie sie selbst gnadenlos geworden sind.

Nach diesem eschatologischen Exkurs, der aufzeigen sollte, wie verschiedenste Wirkungsweisen dem selben Geist entspringen können, geht Christus auf die Dreigestaltigkeit allen Seins ein: Wie Gottes Wesen von einer Drei-Einigkeit bestimmt ist, so auch alle geschöpflichen Bestimmtheiten.

So besteht jedes Wesen aus der Dreiheit Leib, Seele und Geist. Jede Wahrnehmung ist von der Dreiheit einer bestimmten Erkenntnis, eines bestimmen Objekts der Erkenntnis und des Erkennenden selbst bestimmt. Handlung, Werkzeug des Handelns und das vollzogene Werk bilden wiederum eine Dreiheit, die von den drei verschiedenen Grundbestimmungen – „Sattwa“, „Rajas“ und „Tamas“ – beseelt sein können.

So gibt es eine dreifache Art des Erkennens: Sattwa-artiges Erkennen nimmt in allem die höhere Einheit wahr, rajas-artige Erkenntnis sieht nur die Vielfalt der Teilerscheinungen als getrennte konfus aufeinander wirkende Einzel-Wesen und -Erscheinungen, tamas-artige Erkenntnis ist überdies total auf ihr eigenes Ego fixiert.

Ebenso gibt es eine dreifache Art des Handelns: Sattwa-artiges Handeln vollzieht sich in Ruhe und Gelassenheit im Bewusstsein des unverlierbaren Geborgenseins in Christi all-durchwaltendem Heilswirken, rajas-artiges Handeln ist immer von einem zweckgeleiteten Verlangen bestimmt, tamas-artiges Handeln hat dabei nicht einmal die langfristigen Konsequenzen des eigenen Handelns im Blick.

Und ebenso ist die Art von Verständnis dreigestaltig: Sattwa-geleitete Seelen handeln furchtlos und bedacht, um nicht in Vordergründiges verstrickt zu werden.

Rajas-geleitete Seelen lassen sich in ihrem Urteilsvermögen von vordergründigen menschlichen Einschätzungen und dem Zeitgeist leiten, ohne Ursache und Wirkung des Handelns, je nach Reifegrad, erfasst zu haben.

Tamas-bestimmte Seelen lassen sich nur von Affekten und animalischer Triebhaftigkeit leiten, was sie jedoch bestialischer noch als die Tiere werden lässt. Die Herrschaft des Tamas-Geistes ist besonders in dämonischen Zeitaltern sehr stark.

Auch die Art der Beharrlichkeit hat drei Formen: Sattwa-artig ist eine Beharrlichkeit, die sich von nichts irritieren lässt und Misserfolg wie Erfolg freudig als göttlichen Lehrmeister zur persönlichen Ausreifung annimmt, da sie weiß, dass alles gut ist, weil alles gut wird.

Rajas-artig ist eine Beharrlichkeit, die, auch wenn sie sich heilig gibt, nur auf den eigenen Vorteil, das eigene Seelenheil, Anerkennung oder Macht aus ist.

Tamas-artig ist schließlich eine Beharrlichkeit im Sinne einer Starrsinnigkeit, die sich durch nichts auch von ihrer emotionalen Wankelmütigkeit abbringen lässt.

Ebenso gibt es eine dreifache Art der Freude: Sattwa-artige Freude entspringt einer mentalen Disziplinierung, die sich in der unendlichen Liebe gründet und alles, auch Schmach und Unrecht als Liebe, die sie reifen lassen will, wertet und sich darum in allem an der Liebe Christi freut. Solche schmeckt am Anfang wie Gift, am Ende aber wie Nektar.

Rajas-artig ist eine Freude, die sich an flüchtige Freuden hängt. Solche Freude schmeckt am Anfang wie Nektar, am Ende aber wie Gift.

Tamas-artig ist schließlich eine völlige Perversion der Freude, eine vermeintliche Freude, die sich ihrer ungezügelten Natur ergibt. Hier schmeckt Gift wie Nektar und Nektar wie Gift.

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