18.2 Selbst-Verleugnung und Selbst-Findung
→ Die Antwort: Einstimmung /Covertext
→ Die Antwort: Vorwort
→ Die Antwort: Inhaltsübersicht
→ zum letzten Kapitel
→ zum nächsten Kapitel
Kapitel 18.2 „Selbst-Verleugnung und Selbst-Findung“ unterstreicht die Bedeutung der Selbst-Liebe für die Nächsten- und Gottesliebe, sowie die Wichtigkeit, sich mit sich selbst auseinander zu setzen und seine eigene Wesens-Bestimmung zu ergründen, um im Glauben an Christus zu einem erfüllenden Leben finden zu können.
Es gilt nun, die Sinnes-Erneuerung auch zu einer Wandlung des Herzens werden zu lassen. Dies geht nur über den Weg beständigen Yogas, der Einübung und Schulung anhaltender Christus-Betrachtung, die allmählich verwandelt.
Dies ist ein langer Weg. Doch muss der nicht gescheut werden; denn wer ihn im Vertrauen auf die unverlierbare unendliche Liebe Christi beginnt, der ist auch am Anfang seines Weges gleichsam schon angekommen, dem wird der Weg zum Ziel. Beides, Weg und Ziel, ist Christus.
„Yoga“ bedeutet überdies nicht nur einen „Weg“ beständiger Übung und Schulung, sondern vielmehr „Joch-Gemeinschaft“ – nämlich mit Christus, so wie Simon von Kyrene mit Christus dessen Kreuz tragen musste, das im Eigentlichen sein eigenes Kreuz war, dessen Hauptlast Christus ihm abnahm. So verhält es sich mit jedem Geschöpf. Es ist als ein aus der Schöpfer-Gottheit Geschöpftes ewig, unverlierbar mit seinem Schöpfer verbunden. Sein Atem ist Christi Atem. Was ein Wesen erleidet, das erleidet Christus.
In Seiner Liebe ist Christus bereit, mit allen Geschöpfen dies leidvolle Joch zu tragen, dass allein die Reifung Seiner Seelen bewirkt. Darum zwingt Er alle Wesen unter Sein Joch, so dass sie hin müssen, wohin sie in Verkennung ihres eigentlichen Selbst zunächst alle nicht wollen. Wer jedoch erkennt, dass dieses drückende Joch nichts als die Liebe Christi ist, die erziehen und zur Reifung bringen will, und darüber sieht, dass Christus sich selbst dieses Joch freiwillig mit aufbürdet und mit trägt, dem wird das Joch leicht, der fügt sich gern in das Joch, das ihm sein Schicksal aufgibt, weil er erkennt, dass alles nur Liebe ist.
Die Enthüllung, dass alles nur Liebe ist, entfacht in Christi Schüler Lobpreis, der wiederum den Liebesgeist Christi in ihm belebt. Der erklärt nun den Gang des Yoga: Er beginnt damit, dass eine Seele zunächst erst einmal einfach das ihr Gemäße, ihrem Naturell Entsprechende im Leben tut und sich dabei die All-Innewohnung Christi vergegenwärtigt. Dies führt zu einem Verlangen, sich noch mehr in diese Liebe einzusenken. Alles andere wird bedeutungslos. Nur noch das einfache Sein in der Geborgenheit der Liebe Christi hat Bedeutung. Darum wendet sich eine angerührte Seele automatisch, naturgemäß, zunächst vom Trubel und den Irrlichtern der Welt ab, hin zur Abgeschiedenheit für eine noch intensivere, intimere Christusschau. Die überbordende Erfüllung, die eine Seele dort erfährt, drängt sie dann aber wiederum irgendwann zurück in die Welt, in den Alltag, um die ganz persönlich in der Abgeschiedenheit empfangene Liebe mit anderen zu teilen und weiter zu geben.
Entsprechend durchläuft eine erleuchtete Seele dann auch weiterhin beständig Kreisläufe vom Alltag über die Achtsamkeit zur Andacht, und von dort wiederum, aus der Andacht über die Achtsamkeit in den Alltag – und so fort, wie sie auch beständig ein- und ausatmet, wie das Bewusstsein all-abendlich abtaucht, um all-morgendlich erfrischt zu erwachen, wie die Seele schließlich geht von Entschwinden zu Wiederkehr zu Entschwinden zu Wiederkehr, wie sie letztlich ausgeht aus Gott, lebt in Gott und einst zurück kehrt und wieder eingeht in Gott.
Der Christusschüler fragt, wie dieser Weg eingeübt werden kann. Christus erklärt: allein durch die Liebe. In dem Gebot „Du sollt Gott lieben und deinen Nächsten wie dich selbst“ liegt das ganze Gesetz und alle Propheten, alle Verheißungen.
Christus fragt Seinen Jünger, welches Gebot er für wichtiger erachtet, die Gottes- oder die Nächstenliebe. Die Antwort des Gefragten, es sei wohl die Gottesliebe, verneint der Herr jedoch. Denn Gott begegnet schließlich in jedem Nächsten; darum sind beide Gebote gleichrangig, ja, gleichbedeutend, in sich eins. Und was immer einem Wesen Gutes getan wird, wird der Schöpferseele in ihm Gutes getan.
Schließlich fragt Christus, wie viele Liebesgebote das Gebot „Du sollst Gott lieben und deinen Nächsten wie dich selbst“ beinhaltet. Als Christi Jünger meint, zwei Gebote, das der Gottes- und das der Nächstenliebe, verneint Christus wiederum. Sein Schüler hätte das wichtigste Gebot vergessen, drei Wörter, in dem Seine ganze Drei-Einigkeit zusammengefasst sei – die Wörter: „wie dich selbst“. Denn wer sich selbst nicht annehmen und lieben kann, kann auch Gott und seinen Nächsten nicht lieben.
Nachdem die Gottheit aber Ihr Wertvollstes und Liebstes, Ihr unschuldiges neugeborenes Menschenkindlein, und darin sich selbst, für alle gegeben hat, weil Sie jedes Wesen als Ihr vollkommen gebildetes Geschöpf und Kind über alles liebt, ist jede Seele es sich schuldig, sich auch selbst zu lieben. Denn ein jedes Geschöpf Christi ist Christi ganzer Existenzgrund, wie Christi Liebe der ganze Existenzgrund eines jeden Seiner Geschöpfe. Es ist Teil von Ihm, wie Er von Seinem Geschöpf.
Christus fordert Seinen hierfür noch blinden Schüler auf, sich am Teich die Augen zu waschen, um sein Spiegelbild zu erkennen – ein Geschöpf, das nach seiner Beachtung, Anerkennung, Annahme und Wertschätzung verlangt, ein Geschöpf, das unter Gottes abermillionen Wesen eine absolut unverwechselbare einzigartige Erscheinungsform der Herrlichkeit Gottes ist, ohne das der Gottheit etwas fehlen würde.
Darum ist jedem neben der Gottes- und Nächsten-Liebe zuerst und zuletzt auch die Selbst-Liebe geboten. Denn in ihr gründen und münden auch Gottes- und Nächsten-Liebe. Wer sich selbst verneint, kann weder Gott noch den Nächsten bejahen.
Im Licht der göttlichen Liebe gibt es keinen Grund für Selbstanklage und Selbstverdammung. Sünde, Schuld, Unwürdigkeit, Hässlichkeit sind als Lüge überführt und ans Kreuz genagelt worden. In Christus sind alle Geschöpfe als geachtete Gotteskinder ins Recht gesetzt, welche die Heiligkeit Gottes für würdig befindet, sich sogar selbst für sie zu heiligen. Das also ist die Wahrheit in Christus: die kindliche Unschuld aller Seiner Geschöpfe in all ihrer kindlichen Unreife und Unzulänglichkeit.
Darum ist das Wort der Liebe auch weniger ein Gebot als eine Verheißung, weniger ein Anspruch als ein Zuspruch: „Du wirst lieben, weil du von je und je und immer und unaufhörlich geliebt bist: Teil Meiner Liebe“.
Wer diese Liebe erfährt, wird von Ihr nicht mehr losgelassen, so sehr ergriffen, dass er eins wird mit Ihr und Ihren Regungen, Empfindungen und Gefühlen. Der ist fortan auch beseelt von dem Christusverlangen nach Allversöhnung und leidet wie Christus mit allen Kreaturen, die die göttliche Liebe noch nicht erkannt haben, von Ihr noch nicht ergriffen, freigesetzt und geheilt worden sind.
Der entwickelt Mitgefühl und Mitleid mit allen Geschöpfen, wie es auch den erleuchteten Siddharta Buddha auszeichnete. Und den drängt die göttliche Liebe dazu, innere und äußere Not zu lindern, wo immer sie ihm begegnet, weil er sich in Christus mit allem verbunden und eins weiß.
Solange eine Seele aber nicht, angereizt von der Einfühlsamkeit Christi mit ihr, Empfindsamkeit für sich selbst gelernt hat, kann sie auch kein wahres Mitempfinden mit allen anderen Geschöpfen entwickeln. Darum steht am Anfang des göttlichen Yogas der Liebe erst einmal, in sich selbst hinein zu lauschen, wonach das eigene Innerste verlangt.
Christus ruft auf, einem von Ihm überaus geliebten Freund, einer von Ihm überaus geliebten Freundin in Wertschätzung zu begegnen und ihm ein Freund, ihr eine Freundin zu sein, welche jene Seele braucht. Auf die Frage, wer dies sei, warum Christus dieser Seele das nicht sein könne, antwortet Er: „Du selbst bist es!“
So beginnt Gottes- und Nächsten-Liebe mit der Selbst-Liebe. Denn wie soll, wer sich selbst nicht lieben und annehmen kann, noch seinen Nächsten, geschweige denn Gott, Christus, annehmen und lieben? Darum steht am Anfang des göttlichen Yogas: Liebe, achte dich selbst! Begegne deinem Spiegelbild mit Wertschätzung wie ein Liebender! Sieh dich mit den Augen eines Liebenden an!
Christus geht sogar noch weiter und ruft zu einer Ungeheuerlichkeit auf: Begegne deiner leiblichen Unzulänglichkeit mit der Nachsicht Christi, dass du deinem Körper gern und bereitwillig gibst, was er braucht.
Wie jemand körperliche Befriedigung in einem ihm geschenkten Gegenüber dankbar als Gottesgeschenk annehmen kann, so auch jeder von sich selbst, dem noch kein Gegenüber geschenkt ist. Wer so sich selbst gibt, was er in seiner leiblichen Unzulänglichkeit nötig hat, im Vertrauen auf das Verständnis und sogar Wohlwollen Christi, der dafür bestimmt nicht verdammt, der sündigt nicht, sondern ehrt sogar mit seinem rückhaltslosen Vertrauen Gott.
So soll das höhere Selbst dem niederen Selbst ebenso nachsichtig begegnen und nachkommen, wie es dies jeder anderen Seele in Not täte. Ja, die bedürftige Seele darf den eigenen nachsichtigen Liebeserweis sogar als Liebeserweis Christi an sich begreifen und die Liebeserwiderung zu Christus sich selbst am eigenen Leibe zukommen lassen. Darum soll Selbstbefriedigung von dem, der sie nötig hat, nicht in schlechtem Gewissen, grob und innerlich unbeteiligt vollzogen werden, sondern in ganzer sich schenkender nachsichtiger Hingabe gegen sich selbst, wie man einer anderen geliebten Seele in ihrer Not begegnen würde.
Solch ein Aufruf zu genussvoller Selbstbefriedigung muss freilich alle religiösen Richtgeister entsetzen. Doch leben sie alle in Heuchelei, findet sich Selbstbefriedigung doch fast bei allen.
Christus will, dass die Seinen authentisch sind, alle Heuchelei ablegen und zu ihrer Unzulänglichkeit stehen, bis ins Körperliche hinein. Solche Ehrlichkeit und Wahrhaftigkeit bringt auf Dauer Heilung, nicht Verlogenheit und Heuchelei, die nur unter Zwänge bringt. Wer sich selbst so bis ins Körperliche hinein in seiner Unzulänglichkeit annehmen, lieben, wertschätzen und begegnen kann, der wird auch fähig, andere in ihrer Unzulänglichkeit zu lieben, wert zu schätzen und zu achten.
Darum ruft Christus auf, wieder zu lernen mit allen Sinnen sowohl in sich hinein zu fühlen, sich selbst wahrzunehmen und zu erspüren, was man wirklich braucht, als auch, mit allen Sinnen die ganze Schönheit und Pracht des Lebens um sich wahr zu nehmen, wie ein neugierig alles erkundendes Kind.
Lohnend ist es auch, sich einmal längere Zeit seinem Spiegelbild auszusetzen und mit ihm in ein Gespräch zu kommen. Dann wird man schnell merken, wie viel kritische Selbstbetrachtung überwiegt, wie wenig Selbst-Annahme in einem selbst noch ist.
Den Schüler Christi entsetzt das, klingt das wieder wie anti-christliche Rede, war er doch von klein auf gelehrt worden, sich selbst verleugnen zu müssen. Ja, hat nicht Christus selbst – auch in dieser Offenbarung – gelehrt, dass alle eigensinnige Selbst-Verhaftung überwunden werden müsse? Hat Christus nicht gesagt, dass, wer sich selbst aufgibt, sich finden würde, wer sich selbst aber in sich verbeißt, sich selbst verlieren würde?
Christus fordert Seinen Jünger auf, an Seinem Beispiel zu lernen, das Er gegeben hat. Er wusste genau darum, wer Er war, wo er her kam und wo Er hin ging und ließ sich in diesem Seinen Selbst-Bewusstsein von keinem irritieren und verunsichern. Er war immer bestimmt von völliger Selbst-Annahme, Selbst-Bejahung und Selbst-Liebe. Weil Er sich aber in allen Wesen erkannt hat und alles aus Ihm, bedeutete diese Selbst-Liebe zugleich für Ihn, alles zu lieben, und bewegte Ihn zugleich zu völliger Selbst-Losigkeit. Gerade darin aber war Er ganz bei sich selbst und in sich selbst.
So verhält es sich mit jedem Wesen: Nächsten- und Gottes-Liebe kann nur in Selbst-Liebe gründen und münden. Nur wer alles als Teil von sich und sich als Teil von allem begreift, wird allem wie sich selbst gerecht. Hier ist Selbst-, Nächsten- und Gottes-Liebe kein Widerspruch mehr in sich selbst. Wer anderen, die er als Teil von sich begreift, Gutes tut, tut sich damit selbst Gutes, wie er auch sich selbst nicht versäumt, weil er sich als Teil von allem begreift, das er liebt.
Wer aber sich selbst vernachlässigt, nicht gerecht wird, wird erst recht andere vernachlässigen und ihnen nicht gerecht werden – den nahe Stehenden wie erst recht den Fernen und vermeintlichen Feinden.
Die Seele des universalen Gotteswesens ist Selbst-Annahme, Selbst-Bejahung, Selbst-Zustimmung, Selbst-Liebe, und wer in dieses Wesen eingegangen, in Ihm aufgegangen ist, wird alles annehmen, bejahen und lieben – sich selbst eingeschlossen.
So muss der Schüler lernen, Jesu Worte nicht immer nur halb, deren Anfang zu hören: Bei dem Gebot der Gottes- und Nächsten-Liebe überhört er die Selbst-Liebe, die Christus gerade in Seinem Wort sogar voraus-setzt.
Bei dem Aufruf, sich von seinem Selbst zu lösen, überhört der Schüler, was das Ziel ist: sein wahres, eigentliches Selbst zu finden, und so zur wahren Erfüllung im Leben zu kommen – wie es etwa Paulus verzückt bekennt: „Jetzt erst lebe ich erst wirklich, weil nicht mehr ich lebe, sondern der Christus lebt in mir! Ich habe alles erhalten im Überfluss! Jetzt habe ich die Fülle!“
Ebenso fragte schon Jesus, was es dem Menschen nützen würde, die ganze Welt zu gewinnen, wenn er sich selbst darüber verlöre. Es geht also nicht um Selbst-Verlust, sondern um wahre Selbst-Findung. Und diesbezüglich erklärt Jesus, dass das Wahre, Eigentliche, Erfüllende nicht in einem selbst-bezogenen Leben zu finden ist, sondern dass solch ein Leben nur armselig, leer und eigentlich kein Leben sein kann.
Es geht bei der Selbst-Verleugnung also nicht um eine Selbst-Verdrängung, Selbst-Missachtung und Selbst-Verneinung, Selbst-Ablehnung, sondern vielmehr darum, zu erkennen, dass das kleine, kleinliche selbst-bezogene Ego gar nicht das eigentliche wahre Selbst ist, das mit allem verwoben ist. Wer dieses, sein wahres Selbst gefunden hat, für den gibt es nicht mehr nur „Ich“, sondern nur noch ein erfüllendes „Wir“ in Christus, der alles in allen ist.
Sich selbst, das kleine „Selbst“ loslassen, kann darum nur, wer sein großes unverlierbares „Selbst“ in Christus gefunden hat. Sich selbst entäußern kann nur, wer sich dadurch in seinem wahren viel größeren, eigentlichen Selbst, das identisch mit Gott, dem Christus aller, ist, aufgehen erfährt. Dann löst sich gleichsam der kleine Tropfen auf in dem großen Meer. Sich selbst verlieren kann nur, wer sich selbst gefunden hat und als unverlierbar gefunden erfährt.
Wer sich so in alles eingebunden weiß, begegnet allem in Achtsamkeit – auch sich selbst, was zu einer inneren Ausgewogenheit und Ausgeglichenheit führt, so dass ein solch Erleuchteter weder andere um seinetwillen, noch sich selbst um der anderen willen vernachlässigt. Denn mit beidem ist keinem gedient. Jedoch kann keiner anderen gerecht werden, wenn er nicht einmal sich selbst gerecht zu werden versteht.
Die Erkenntnis der Eingebundenheit des eigenen Ich´s in alle Wesen schafft schließlich Abstand zu sich selbst und Ausgewogenheit in Freuden wie Leiden. Das persönliche Befinden geht auf in dem Allbefinden. Man kann sich nicht in eigenen Freuden verlieren, solange andere noch leiden, was auch zum eigenen Leiden wird, wie man sich auch nicht im eigenen Leid verlieren kann, wenn man sich mit anderen freut. So gibt es keinen Neid und keine Missgunst mehr, sondern vielmehr gönnt man anderen ihre Freuden und wünscht ihnen die eigenen Freuden, damit durch die Teilhabe aller an der eigenen Freude diese vollkommen wird.
Wer sich in alles eingebunden weiß, ist freigiebig gegenüber Bedürftigen, erkennt zugleich aber auch seine eigene Bedürftigkeit an und wird dieser gerecht. Wer Christus in allem innewohnend erkannt hat, sieht in allem Sein Heiligtum, das zu pflegen, zu schmücken und zur Herrlichkeit zu führen er mit Christus gewillt ist. Er erkennt sich als Brautführer des himmlischen Bräutigams, der Ihm Seine allumfassende Braut – sich selbst eingeschlossen – schmücken will.
Christus will Seinen Kindern eine Fülle von Zuwendungen zukommen lassen, an denen sie sich kindlich erquicken sollen nach Seinem Wohlgefallen. Wie aber kann jemand anderen zur Lebensfreude verhelfen, wenn er meint, sich selbst dies versagen zu müssen? Wer sich noch in einem solchen Dienstschaftsverhältnis zu Gott sieht, nicht in einem Kindschaftsverhältnis, soll nicht meinen, er wird drüben Kind sein dürfen, weil er hier als Sklave lebt. Denn in der Gesinnung, in welcher er stirbt, wird er auch wiedergeboren werden. Wer nämlich solch eine künstliche Selbst-Verleugnung pflegt, insgeheim jedoch von einem Lohn- und Verdienstgedanken beseelt ist, der lebt in nur fromm kaschierter Selbst-Bezogenheit und Selbst-Verhaftung.
Wahre Selbst-Verleugnung heißt darum auch, die Selbst-Verleugnung zu verleugnen, und wahre Selbst-Aufgabe, auf die Selbst-Aufgabe zu verzichten.
Schließlich macht der Blick auf die eigene, eigentliche, ewige Existenz frei von der Selbst-Verhaftung am Vorläufigen, das stetem Wandel unterworfen ist. Wer sich in seinem höheren Selbst, das eins mit Christus ist, verwurzelt weiß, der kann beides: Freude wie Leid in Gleichmut annehmen und begrüßen. Der fügt sich in sein Schicksal, weil er weiß, dass ihm alles zum Besten dient. Dies meint Christus damit, wenn Er davon spricht, dass jeder sich selbst verleugnen und sein Kreuz auf sich nehmen muss. Er meint die Abkehr von dem selbst-bezogenen, isolierten Selbst, dass in unersättlichem Starrsinn Ziele verfolgt, die ihm nicht zugedacht sind, statt sich von Christus und seinem Schicksal leiten und formen zu lassen. Wer jedoch zu seinem höheren Selbst gefunden hat und darum sein Schicksal als persönlichen Heilsweg Gottes mit sich erkannt hat, der hat wahre Freiheit erlangt – auch und gerade von seinem kleinen unwissenden Ego.
Solch ein Erleuchteter kann recht loslassen, ohne dem Irrtum zu erliegen, dass er seinen eigenen Unzulänglichkeiten keinerlei Raum mehr zur Reifung geben dürfe.
Wer folglich im Vertrauen auf die Gnade sündigt, ehrt mit seinem Zutrauen seinen Herrn und sündigt darum nicht. Wer aber aus schlechtem Gewissen handelt, verunehrt damit seinen Herrn und sündigt, selbst, wenn er heilige Handlungen ausübt. So werden manche gesottenen Sünder eher ins Himmelreich eingehen als jene, die immerfort um ihre Heiligung bemüht sind. Denn den Herrn, an den man glaubt, den hat man auch. Ist es ein gestrenger Herr, der nieder hält und schließlich zugrunde richtet, oder ist es Liebe und Barmherzigkeit, die aufleben und sich selbst finden lässt?
Nun kommt Christus auf den zweiten Schritt seines göttlichen Yogas zu sprechen: Ist ein Jünger an den Punkt gelangt, dass er sich lieben, annehmen und achten kann, so hat er als nächstes heraus zu finden, wer er überhaupt ist und was der ihm zugedachte Platz im Universum, seine unverwechselbare Bestimmung ist, die nur er erfüllen kann, wie sie ihn erfüllen wird.
Selbst-Aufgabe bedeutet in diesem Zusammenhang, das „Selbst“ aufzugeben, das die anderen von einem gerne haben wollen, das die Welt diktiert. Wer nämlich nach der Anerkennung der Welt heischt, wird von dieser nur ausgenutzt, und die Anerkennung, nach der er verlangt, niemals finden. Denn die Welt sucht immer nur das Ihre und wird darum niemanden ermutigen und ermuntern, zu sich selbst zu finden.
Christus lenkt den Blick auf die Anerkennung, die Er schenkt. Jeder ist Ihm recht, so wie Er ist, wenngleich Jesus um den Großen weiß, den Er aus jedem noch machen wird. Er liebt bereits Seine Kleinen wie eine Mutter ihre unschuldigen, hilfsbedürftigen, ohnmächtigen Bündel von Säuglingen, auch wenn Ihm dies häufiges Windel-Wechseln abverlangt. So hat jeder für Christus schon in seiner Unzulänglichkeit einen unendlichen Wert – so hoch, dass Christus Sein Leben für ihn gelassen hat. Darum soll sich keiner mehr zum Sklaven von Menschen machen lassen.
Selbst-Aufgabe, die Christus fordert, heißt also auch, sich von dem „Selbst“ zu verabschieden, das die Welt jedem diktiert, Aufruf zum Mut, das Wagnis einzugehen, sein wirklich eigentliches Selbst zu suchen. Wer dieses Ziel verfolgt, wird bei vielen schließlich wahre Anerkennung finden, weil er nunmehr auffällt und in seinem eigentlichen Selbst überhaupt erst erkannt und wahrgenommen werden kann, und er wird dadurch viele ermutigen, auch ihr wahres Selbst zu suchen.
Dieses Stehen zum eigentlichen Selbst beinhaltet aber auch, zu seiner eigenen Unvollkommenheit zu stehen. Christus ruft auf, so vollkommen zu werden wie der Abba aller, der Seine Vollkommenheit gerade in einer Welt erweist, die vielen Weltweisen unvollkommen erscheint, wie Er sich auch durch unvollkommene Weissagungen in verschiedensten Religionen mitteilt, die sich zum Teil widersprechen, und der sich darin doch in Seiner Liebe finden und sich dadurch verherrlichen lässt.
Dies ist darum das wichtigste Gebot, das Christus gibt, mehr als alles andere sein eigenes Herz zu behüten, auf seine Herzens-Stimme zu hören, durch die Christus spricht, in dem das ganze Reich Gottes inwendig liegt, und seinen Sehnsüchten und Träumen zu folgen – wie etwa Joseph, der um seiner Träume willen zuerst von seiner Umwelt verachtet und verworfen wurde.
Viele Menschen erfahren allerdings eine negative, sie lenkende Kraft des Unterbewusstseins, die ihre Träume unerreichbar macht und sie mitunter in eine Entwicklung drängt, die sie eigentlich gar nicht wollen. Diese fühlen sich unfrei in ihrem Schicksal und hadern über ihr Geschick mit Gott.
Die Wesensbestimmung jeder Seele ist jedoch durch ihre vorherigen Leben von ihr selbst gesetzt. Diese Vorleben prägen in Wiedergeburten das Unterbewusstsein als lenkende Kraft.
So auch ist Gottes Warnung im Dekalog, den Zehn Geboten, zu verstehen, dass Er als ein eifersüchtiger Gott die Sünden der Väter heimsucht in der dritten oder vierten Generation, also an ihren Urenkeln oder Ururenkeln. Gott ist allerdings nicht von menschlicher Eifersucht bestimmt, die auf Vergeltung und Rache sinnt und auf Vernichtung aus ist. Überdies stellt Sein prophetisches Wort klar, dass Gott keineswegs unschuldige Kindeskinder für die Sünden ihrer Vorväter bestrafen würde. Diese wichtige Warnung im Dekalog ist also anders zu verstehen:
Hier wird nämlich vielmehr angezeigt, dass jede Seele in ihrem Urenkel oder Ururenkel wieder geboren wird, um die langfristigen Konsequenzen ihrer Verfehlungen in ihrem Vorleben nun selbst tragen zu müssen und dadurch Läuterung zu erfahren.
So hat auch Jesus Seinen Zeitgenossen bescheinigt, die meinten, sie würden sich von ihren Vorvätern abheben, dass eben diese überhebliche Geistesgesinnung bezeugt, dass sie vom Geist ihrer Vorväter bestimmt sind und darin ihres eigenen Geistes Kinder, und damit eben diese, ihre eigenen Vorväter sind.
So sucht Gott Sünden bis ins dritte und vierte Glied heim – das heißt: in bis zu vier Wiedergeburten, – um dadurch zu läutern, lässt aber jene, die sich Seiner Liebe nicht verschließen, in einer Unzahl von Wiedergeburten in Segen reifen.
Er gleicht einem Töpfer, der auf Seiner Drehscheibe missratene Formen immer wieder auseinander reißt, bis Er aus ihnen die eine, neue Form gebildet hat, die ihnen von Anfang an zugedacht war und Ihm Ehre macht.
Auch Jesu Gleichnis von den anvertrauten Talenten erhält unter Einbeziehung der Erkenntnis immerwährender Reinkarnation eine neue Deutungstiefe: Jede Seele wird nicht willkürlich in irgend ein Geschick hinein geboren, denn bei Gott gibt es kein Ansehen der Person. Vielmehr ist die Art ihrer Wiedergeburt, ob in Segen oder unter Fluch, bestimmt von dem, was eine Seele in ihrem Vorleben aus ihren Talenten gemacht und welche Fähigkeiten sie dadurch erlangt hat. So wird jeder Seele, die geistlich noch nichts erlangt hat, in ihrem Folgeleben alles genommen, was sie zuvor hatte, damit sie ihre Bedürftigkeit erkennen kann und zur Besinnung kommt, während eine Seele, die geistlich schon etwas erlangt hat, im Folgeleben noch hinzubekommt, um weiter reifen zu können.
Wie nämlich die Gottheit alle Ihre Seelen, die in dem Aufleben ihres göttlichen Selbstbewusstseins erst einmal einem kindlich aufbegehrenden Trotz verfallen mussten, zunächst unter Unglauben bestimmt hat, damit sie Gutes von Bösem unterscheiden lernen, so führt Sie schließlich alle Seelen durch ihre persönlichen Reifungsprozesse, die sie durchlaufen müssen, zum Heil.
Der Schüler Christi fragt, inwiefern man angesichts der Reinkarnation die eigenen Kinder noch als die Seinen betrachten kann, wenn sie doch mitunter viel ältere Seelen sind, die nur in dieses Kindsein hinein wiedergeboren wurden.
Christus erklärt, dass jede Seele im Zuge ihres Vergehens alle Persönlichkeitsanteile, die ihre vorherige Person ausmachten, verliert und in ihr nächstes Leben ausschließlich die geistliche Prägung und Ausreifung ihres Unterbewusstseins mitnimmt, von ihren Eltern aber neue leibliche und auch charakterliche Prägungen erhält. Zugleich wird jede Seele aber durch die karmischen Wirkkräfte immer genau solch einer Wiedergeburt zugeführt, die ihrem Wesenskern am gerechtesten wird und dadurch die optimale Passung zu seiner vorherigen Existenz und Ausprägung darstellt.
Zugleich ist solch eine Seele in ihrer Wiedergeburt gleichsam wieder verjüngt und kann noch einmal ganz von vorne anfangen, erhält eine neue Chance, wie es heißt: „Gottes Gnade ist alle Morgen neu“ – was auch auf die immer neuen Lebens-Morgen jeder Seele anspielt.
So prägen Eltern die ihnen als Kinder geschenkten Seelen durchaus durch ihre Mitgift bei deren Wiedergeburt, wie sie auch für deren Neu-Ausreifung eine ganz erhebliche, verantwortungsvolle Rolle spielen. Aber allein in dem Maße, wie sie den ihnen anvertrauten Seelen Eltern sind, werden diese ihnen auch wirklich Kinder werden.
Schließlich bilden sich durch die karmischen Gesetzmäßigkeiten über eine Vielzahl von Wiedergeburten tatsächlich auch Seelenverwandtschaften heraus, die über viele Wiedergeburten bestehen bleiben, so dass sich Seelen – wenn auch in neuen Beziehungskonstellationen – in neuen Leben immer wieder begegnen können.
Dennoch bleibt eine anvertraute Kinderseele doch eine ganz eigenständige Seele, in der sich nicht selten auch ein Wesenskern zeigen kann, der ihre Eltern als etwas Fremdes, ihnen nicht Bekanntes und ihnen selbst nicht Innewohnendes überrascht, weil es nicht aus ihnen kommt – sowohl in positiver wie in negativer Hinsicht.
So kann eine Seele schon von Mutterleib an mit Heiligem Geist erfüllt sein, wenn sie in ihrem Vorleben sich dem Geist Christi bereits geöffnet hat – wie es etwa bei Johannes dem Täufer war, der Wiedergeburt des Propheten Elia, – oder aber eine Seele kann in ihrem Vorleben für den Empfang der Gnade bereitet worden sein, indem sie in den totalen Zerbruch geführt wurde, so dass sie ebenfalls von Mutterleibe an schon unter einer besonderen Gnadeneinwirkung steht, auch wenn sie in ihren nächsten Leben erst durch Irrungen und Wirrungen diese recht erkennen und ergreifen lernen muss – wie es bei Saulus war, der Wiedergeburt des Königs Saul.
Umgekehrt kann eine wiedergeborene Seele auch von einem negativen Geist besetzt und beseelt sein, so dass deren gläubige Eltern spüren, dass jene Kinderseele nicht aus ihnen ist. Solch eine Seele wurde ihnen dann zugeteilt, um jener verlorenen Seele Wesentliches über die göttliche Liebe zu vermitteln, auch wenn sie jene ihnen anvertraute Seele vielleicht nicht erreichen und ihr Mühen um deren Errettung den verhängnisvollen Lauf ihrer Kinder sogar noch fördert, weil es die Schuld der Kinder – nunmehr auch noch gegen ihre eigenen Eltern – noch ins gerichtsträchtige Vollmaß steigert. Aber auch dann dürfen solch liebende Eltern gewiss sein, dass die gute Saat, die sie in eine derart verlorene Kinderseele säen, in einem zukünftigen Leben zur Ausreifung kommen wird.
Dennoch sollte sich jeder prüfen, wenn die eigenen Kinder missraten, ob der Keim des Verderbens wirklich in diesen Kindern selber liegt, oder die eigenen Sünden durch die eigenen Kinder heimgesucht werden.
Das Wichtigste ist, die Eigenständigkeit der anvertrauten Kinderseelen zu achten und die Entwicklung nach ihrer Eigenart zu fördern. Denn Kinder sind kein Abziehbild der eigenen Persönlichkeit, keine Ableger und Schatten, welche eigene unverwirklicht gebliebene Wünsche stellvertretend zu erfüllen hätten. Denn letztlich sind auch die eigenen Kinder allein Kinder Christi und als gleichwertige eigenständige, ebenbürtige Geschwister zu achten. Ihnen soll geholfen werden, den Leit-Stern ihres eigenen Herzens zu finden und zu folgen, wie es jeder Seele im Interessse einer glücklichen Entwicklung geboten ist.
Nachdem schließlich die anvertrauten Kinder letztendlich eigenständige Seelen sind, ist eine geistliche Nachkommenschaft höher zu achten, als eine nur leibliche Nachkommenschaft. Das kann kinderlosen Eltern wie elternlosen Kindern ein großer Trost werden, dass wahre Eltern- und Kindschaft mehr eine Frage des Herzens, als der leiblichen Abstammung ist. So kann jeder, der sich um heranwachsende hilfsbedürftige Seelen müht, diese sich zu Kindern machen, wie Kinder in solchen hilfreichen Begleitern wahre Eltern finden können.
Letztendlich sind schließlich in Christus alle Seelen miteinander verwandt, so dass sich jede Seele in jeder Seele wiederfinden kann, wie in einem Kind oder einem Elternteil.
Negative Prägungen aus früheren Leben können schließlich, wie die Anhaftung an das Karma mit dem isolierten vordergründigen kleinen Ego, dass es abzustreifen gilt, überwunden werden. Zu dieser Freisetzung lädt die Liebe Christi ein, die jedoch keine Seele zwingt. So ist jeder gefragt, ob er sich heilen und befreien lassen will oder sich wieder, weiterhin abkehren will von der Liebe Christi, um diese auch zukünftig für sich selbst zu kreuzigen. Das Zeugnis Blaise Pascals ermutigt, sich auf die Liebe Christi einzulassen: „Feuer! Jesus Christus! Jesus Christus! Ich habe Ihn verraten, verleugnet, Ihn gekreuzigt, mich losgesagt von Ihm! Möge ich nie von Ihm geschieden sein!“
Um seine eigene Bestimmung zu finden, in welchem der Pfad der Freisetzung in Christus hin zur Glückseligkeit eine einzige Wonne ist, ist es wichtig, seine Wesensgrundart zu erkennen. Wer an ihr vorbei lebt, macht sich selbst unnötig das Leben schwer und muss durch schmerzliche Metamorphosen gehen, weil sein Inneres doch nach seiner Verwirklichung drängt.
Wie eine Raupe, die sich – sich selbst umkreisend – durch ihr Werk ihr eigenes Grab webt, in dem sie sich verpuppt, muss sie diese sich selbst auferlegte eigene innere und äußere Hürde auch selbst durchbrechen. Christus hilft dabei nicht! Denn nur durch die Anstrengung, den eigenen Kokon zu durchbrechen, wird so viel Blut in die Flügel gepresst, dass diese sich schließlich kraftvoll entfalten können und den entstehenden Schmetterling in die Lüfte heben können.
So bewirkt die Ich-Verhaftung des Menschen, der immerfort um sich selbst kreist, zunächst dessen Verpuppung hin zu Starre und Tod. Das Wunder Gottes aber lässt dieses Grab des Kokons zur Wiege neuen Lebens als Schmetterling werden. Diese Gnade aber teilt der Herr jedem zu zu seiner Zeit. Darum kann man sich getrost Seiner Gnade anvertrauen, die zu Ihrer Zeit die wundersame Metamorphose in ein Himmelsgeschöpf bewirken wird.
Die Erkenntnis der eigenen Wesensbestimmung kann jedoch den Gang über viele schmerzhafte Tode und Wiedergeburten ersparen. Wer seine wahre, eigentliche Bestimmung erkennt und sich Christus anvertraut, erlebt seine wundersame Wandlung täglich in Wiedergeburten ohne Schmerz, wie Paulus bezeugt.
Nun schildert Christus die vier „Gunas“, die unterschiedlichen „Grund-Bestimmungen“ der Seelen, die es zu entdecken gilt, um ihnen und sich selbst gerecht werden zu können:
Die Brahmanen neigen zu Meditation und Versenkung. Aus ihnen gehen die großen Mystiker hervor. Ihr Naturell entspricht dem Charakter des Phlegmatikers. Sie können die göttliche Liebe in ganzer Tiefe erfahren, aber auch durch viele seelische Tiefen gehen. Sie haben nämlich auch eine Neigung zu Melancholie und Pessimismus. Beispiele für diese Charaktere sind Jesu Lieblingsjünger Johannes, Jesu Mutter Maria, Hiob, David, Siddharta Buddha und Mahatma Gandhi.
Die Kshatryas sind charismatische Persönlichkeiten, gekennzeichnet von Entschlossenheit, Heldenmut, Tüchtigkeit, Forscherdrang, Führungsqualitäten und Freigiebigkeit. Ihr Naturell entspricht dem Charakter des polternden Cholerikers, der in seinem Ungestüm auch, ohne es zu merken, verletzt. Sie gehen auf in dem Einsatz für das Reich Gottes, dass das Gute sich in der Welt durchsetzt. Beispiele für diese Charaktere sind Petrus, Paulus, Mohammed, Martin Luther, Martin Luther King und Einstein. Auch der Unterwiesene ist im Wesentlichen von diesem Charakter bestimmt.
Die Vaishyas sind bestimmt durch Naturverbundenheit und Pragmatismus, aber auch durch Ästhetik, Musikalität und Sinnlichkeit. Sie bevorzugen praktische Tätigkeiten mitten in der Welt. Ihr Naturell entspricht den Sanquinikern, die in kindlicher Unbeschwertheit alle Gottesgaben der Schöpfung zu genießen verstehen, sich aber auch leicht darin verlieren können und dadurch gefährdet sind, sich und anderen schweren Schaden zuzufügen. Beispiele für diese Charaktere sind Maria Magdalena, Franz von Assisi, Mozart, Leonardo da Vinci, Salvadore Dali und Steven Spielberg. Hier ist auch die Ex-Frau des Unterwiesenen einzuordnen.
Die Shudras schließlich sind bestimmt durch Hingabe, Aufopferungsbereitschaft, Einfühlungsvermögen und Mitgefühl. Sie gehen in dienendem, fürsorglichen Handeln auf. Fast alle Mütter kennzeichnet dieses Wesen, aber auch Frauen, die sich ihren oft launenhaften Männern unterordnen und diese dadurch stützen. In der Welt haben sie oft keine bedeutenden Namen, wohl aber bei Gott, weil Er sie sieht, wie sie ihre Nächsten sehen. Beispiele für diese Charaktere sind der barmherzige Samariter, Martha, die Jesus diente, aber dafür getadelt werden musste, dass sie sich zu wenig von Ihm selbst dienen ließ, sowie Mutter Theresa als Parade-Beispiel für die vielen Nonnen, die Christus in sozialen Tätigkeiten dienen.
Es ist ganz wesentlich für die eigene Entwicklung hin zu einem gelingenden, erfüllenden Leben, seine eigene Wesensbestimmung zu erkennen und zu finden. Darum ist es wichtig, sich hier von allen Einflüssen zu lösen, die den eigenen Werdegang manipulativ beeinflussen oder vorgeben wollen. Die eigene Sehnsucht sollte man nicht als ungehöriges Ansinnen in Zweifel ziehen, sondern konsequent voll Gottesvertrauen verfolgen.
Es ist besser, nach dem eigenen Wesensgesetz zugrunde zu gehen, als, einem fremden Wesensgesetz zu folgen, selbst wenn man darin Erfolg hätte. Auch über das eigene Sternzeichen kann man viel über sein besonderes eigentümliches Wesen erfahren, wenngleich man Horoskopen weniger Bedeutung beimessen und sich von ihnen nicht beeinflussen lassen sollte.
Die eigene einzigartige Wesensbestimmung setzt sich aus der besonderen Zusammensetzung der vier Gunas zusammen, wobei ein Wesenszug immer vorherrscht. Dieser muss zur Entfaltung kommen und gefördert werden, wenn man Erfüllung finden will.
Es ist in gewisser Hinsicht bezeichnend, dass sich in Partnerschaften meist Gegensätze verbinden. Dies kann Partnerschaften in eine Zerreißprobe stellen. Anderseits ergänzen sich unterschiedliche Charaktere hervorragend, wenn sie ihre Unterschiedlichkeit akzeptieren und als persönliche Bereicherung sowie als Korrektiv erkennen. In der Auseinandersetzung mit ihren Reibungsflächen können Partner auch aneinander reifen und sich gegenseitig zu einer gesunden Mitte hin ziehen, einander zu mehr Ausgewogenheit verhelfen.
Ziel ist es schließlich, dass jede Seele in allen vier Gunas zur Vollendung ausreift. Wer diese erreicht hat, braucht auch keine Ergänzung und Entsprechung durch eine Partnerseele mehr. Ihr genügt Christus als Gefährte. Auch sexuelle Bedürfnisse kommen bei solchen vollendeten Seelen zum Erliegen. Wer jedoch mit einer Seele einen Ehebund eingegangen ist, die noch sexuelle Bedürfnisse hat, ist dieser verpflichtet, auch wenn er selbst darüber hinaus gewachsen ist.
Persönliche leibliche Schwächen und Unzulänglichkeiten müssen schließlich zu keinem schlechten Gewissen Anlass geben. Christus weiß doch, wie es um Seine unreifen Menschen bestellt ist. Er ist bereit, immer wieder zu vergeben.
→ zum Original-Kapitel XVIII.II in der »Satya ›P‹raha«
→ zum nächsten Kapitel